Donnerstag, 4. September 2008

"Rhetorik" in den Medien

Momentan sind die Medien voll von Berichten, in denen es um "Rhetorik" geht. Beinahe kein Tag, an dem man im öffentlichen Diskurs nicht auf dieses Wort stößt. Besonders zwei aktuelle politische Ereignisse scheinen es Berichterstattern und Kommentatoren geradezu aufzuzwingen, sich mit der Sprache der beteiligten Akteure genauer zu befassen.

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Zum einen ist da der Wahlkampf in den USA. In diesem Zusammenhang wird fleißig "die Rhetorik der Kandidaten" bzw. "die Rhetorik einzelner, großer Reden" analysiert, Veränderungen in der "rhetorischen Strategie" werden diskutiert, und es wird darüber nachgedacht, inwiefern sich "amerikanische Wahlkampfrhetorik" im Allgemeinen von ihrer europäischen Schwester unterscheide.

"Rhetorik/rhetoric" wird in diesem Zusammenhang oft sehr lose und allgemein gebraucht (in den USA selbst noch sehr viel allgemeiner als in Deutschland) und bezeichnet dann vor allem die strategisch gewählte Art zu sprechen, Art zu argumentieren, Art, Sachverhalte in Worte zu fassen, allgemein jede kommunikative Strategie im weitesten Sinne. Wahlkampfrhetorik in diesem Sinn wird von Journalisten folgerichtig mithilfe von Adjektiven wie kämpferisch, friedlich, emotional, rational, bedächtig, irreführend etc. klassifiziert.

Wahlkampf in den USA ist zum großen Teil ein Duell zwischen den beiden Spitzenkandidaten. Er wird von Beteiligten und Beobachtern mental als sportliches Duell konzipiert und als solches dann auch betrachtet und bewertet. Wer hat welche Waffen zur Verfügung? Wer kennt welche Kombinationen und Schläge (strategisches Potential)? Wer setzt welche Hiebe wann ein (tatsächliche Strategie)? Wer hat bestimmte Angriffe des anderen bereits vorhergesehen und kann sie erfolgreich abwehren (Antizipations- und Verteidigungsfähigkeit)? Wer schlägt unter die Gürtellinie (dirty campaigning)? Wer begeistert das Publikum (die Wähler) besser für sich? ...

Ein rhetorischer Schlagabtausch im Wahlkampf kann so mit einem olympischen Fechtturnier verglichen werden, wobei das Fechtgerät in den Händen der Kandidaten in diesem Fall ihre Worte sind. Die Art, wie diese strategisch verwendet werden, um den Wahlsieg zu erringen, wird "die Rhetorik der Kandidaten" genannt.

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Zum anderen war die Eskalation der Gewalt im Georgien-Konflikt Anlass für die Medien, ausführlich über die sprachliche Behandlung dieses traurigen Ereignisses in Diplomaten- und Politikerkreisen zu berichten, aber auch den eigenen sprachlichen Umgang mit dem Thema zu reflektieren. Eine Veränderung in Ton und Vokabular war schließlich kaum zu überhören. Von einem Rückfall "Rhetorik des Kalten Krieges" war schnell die Rede, dann von einem neuen Kalten Krieg.

Auch in diesem Zusammenhang geht es zunächst wieder um die Art, wie Sachverhalte in Worte - und auch Bilder, Karikaturen etc. - gefasst werden, wenn von "Rhetorik" die Rede ist. Vom sportlichen Charme eines geregelten Duells kann dabei jedoch keine Rede sein. Hier geht es um Krieg.

Worauf es den Journalisten in der Berichterstattung ankommt, sind hauptsächlich die mentalen Muster in den Köpfen der Akteure, die als Auslöser hinter den Worten vermutet werden. Eine wiederauflebende Rhetorik des Kalten Krieges bei politischen Treffen und in den Medien weist darauf hin, dass viele Akteure (sowohl Diplomaten als auch Journalisten) die Situation bereits wieder in Denkkategorien des Kalten Krieges erfassen. So liegt die Befürchtung nahe, Diplomaten und Politiker könnten im Fortgang der Ereignisse nicht nur wieder auf die vermeintlich überholten Sprach-, sondern automatisch auch auf die Handlungsmuster des Kalten Kriegs zurückgreifen.

Dienstag, 27. Mai 2008

Blog-Tipp für Logo-Liebhaber

Freunde von Logo-Spielereien werden ihre helle Freude an Logólogos haben, einem Blog, der zwar in Argentinien entsteht, dank einer Vielzahl an Marken mit globaler Branding-Strategie jedoch in den meisten Industriestaaten problemlos zu "entziffern" sein düfte.

Die Bildsprache aus diesen global bekannten Logos ist möglicherweise eine der wenigen weltweit verständlichen "Sprachen", die sich eines abstrakten Bildzeichen-"Alphabets" zur Codierung ihrer Nachrichten bedient.

Do you speak

?

Donnerstag, 22. Mai 2008

Ratgeber über Ratgeber

Rhetorik-Ratgeber gibt es wie Sand am Meer, aber welche davon taugen etwas und welche eher nicht?

  • 'Spielend überzeugen in nur 10 Tagen!' - Seien Sie vorsichtig bei Rhetorik-Ratgebern, die zu viel versprechen. Rhetorik ist - als Theorie - ein hochkomplexes Fachgebiet und - als Praxis - eine komplizierte Kunst, die sehr viel Training, Übung und Erfahrung verlangt, bis man sie beherrscht. Sie würden ja auch keinem Buch trauen, das Ihnen 'Meisterhaft Geige spielen in nur 10 Tagen' oder 'Fließend Chinesisch sprechen in 2 Wochen' verspricht.
  • 'Die zehn Gebote gelungener Rhetorik' - Misstrauen Sie Rhetorik-Ratgebern, die mit Begriffen wie 'Regeln', 'Gesetze' oder 'Gebote' arbeiten, besonders wenn eine begrenzte Liste 'der' 10, 20 oder 100 Regeln versprochen wird, die es nur zu beachten gelte und schon stelle sich der Erfolg in 'der' Kommunikation wie von alleine ein. Solch eine begrenzte Anzahl universaler, leicht erlernbarer Regeln gibt es nicht; schon weil die Vielfalt der möglichen sozialen Situationen unter denen Kommunikation heute stattfinden kann, die Vielzahl der Charaktere der Kommunikationsteilnehmer, die unterschiedlichen Möglichkeiten der Medialisierung von Texten, die Anzahl der möglichen Textsorten etc. praktisch unüberschaubar ist. Dieselben Regeln gelten deshalb immer nur für winzige Ausschnitte des Kommunikationsuniversums, wenn überhaupt. Besser ist es daher, sich für den Anfang gewisse Methoden und Kompetenzen anzueignen, die je nach Situation modifizierbar sind - oder sich eben auf einen kleinen, für Sie relevanten Ausschnitt des Kommunikationsuniversums zu beschränken. Universale Regelrhetoriken folgen einem Konzept, das (tatsächlich!) dem Mittelalter entstammt. Fallen Sie nicht darauf herein.
  • 'Die Macht der Worte', 'gefährliche Rhetorik', 'verbotene Manipulationstechniken'... - In der Tat ist die Kunst des Überzeugens eine Fähigkeit, die seit Jahrtausenden mit Begriffen wie 'Macht' und 'Magie' in Verbindung gebracht wird. Klar, Bücher die Macht versprechen, verkaufen sich besser, als Bücher, die keine derartigen Versprechungen machen. Ein Rhetorik-Ratgeber allein wird aus Ihnen aber in keinem Fall einen übermächtigen Wortzauberer machen. Lassen Sie sich nicht von derartigen Rhetoriktricks(!) beeinflussen. Machen Sie Ihren Kauf nicht von der Größe des Versprechens auf den Buchdeckeln abhängig, sondern lieber von der Qualität des Inhalts zwischen diesen Buchdeckeln.
  • Wer schreibt da eigentlich und bei welchem Verlag? - Sehen Sie sich genau an, welche fachlichen Qualifikationen der Autor des Ratgebers hat. Viele Rhetorik-Ratgeber werden von Autoren verfasst, die nicht besonders viel theoretisch-fachliche Qualifikation mitbringen. Oftmals wollen sich diese Autoren mit ihrem Buch sozusagen selbst als Rhetorik-Trainer qualifizieren, um später mit ihrem Ratgeber für sich werben zu können: "Klar, der hat zwar Kunstgeschichte studiert, aber er hat schon mal ein Buch über Rhetorik geschrieben, da muss er ja wohl was von der Sache verstehen". - Ein klarer Fehlschluss. Schauen Sie sich außerdem an, auf welchem Gebiet der Autor tätig ist. Jemand, der z.B. Verkäufer trainiert, muss nicht unbedingt kompetent sein, wenn es um das Thema 'Festtagsrede' geht. Oftmals lässt auch der Name des Verlags, bei dem ein Ratgeber erscheint, bereits gewisse Schlüsse auf die Qualität des Ratgebers zu. Verlage, die dafür bekannt sind, qualitativ hochwertige Ratgeber zu verlegen, geben ihren guten Namen nur sehr selten für schlechte Werke her.

Durchsetzungsmodus: Autorität

"Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!"
(Goethe, Faust I)
Seit Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen und seiner Konzeption des Sprachspiels, spätestens aber seit J.L. Austins How to do things with words wissen wir, dass "Worte" nicht das Gegenteil von "Taten" sind, sondern dass Sprechen tatsächlich zugleich immer auch Handeln bedeutet. Durch solche Sprechhandlungen können Gesetze erlassen werden, Sitzungen eröffnet, Kriege erklärt, Fehler verziehen, Antworten erbeten und Befehle erteilt werden. Was mit J.L. Austin begann hat unter dem Namen Sprechakttheorie bis heute enormen Einfluss auf das Verständnis, das Sprachphilosophen und Linguisten vom Sprachgebrauch haben.

In der Nachfolge von John Searle geht Daniel Vanderveken in seinem in Meaning and Speech Acts entwickelten Modell der Illokutionslogik davon aus, dass sich eine Sprechhandlung genau durch sechs Komponenten definieren lässt, darunter der sog. Durchsetzungsmodus einer Sprechhandlung. Während die Sprechhandlung ANFRAGEN für den Adressaten die Möglichkeit offen lässt, dem Anfragenden einfach eine negative Antwort zu erteilen, bedienen sich andere Sprechhandlungen, wie z.B. BEFEHLEN, des Durchsetzungsmodus der Autorität. Weil der Befehlende seine Machtposition ausspielt, wird es dem Adressaten sehr viel schwerer fallen, sich einem Befehl zu widersetzen als eine Anfrage negativ zu beantworten.

Ein lustiges Beispiel hierfür habe ich gerade auf xkcd gefunden. Nachdem der Befehl "Make me a sandwich" den Durchsetzungsmodus der Autorität benutzt, allerdings mangels tatsächlich vorhandener Autorität fehlschlägt, verschafft sich der findige Geek die für den Befehl nötige Autorität durch ein vorangestelltes Sudo. Wenn Kommunikation nur immer so einfach wäre... :-)

Dienstag, 20. Mai 2008

Web Trend Map

Schon etwas veraltet, aber ich hatte mir doch vorgenommen, diese Information zu bloggen: Seit zwei Wochen gibt es die neue Web Trend Map. Die 300 wichtigsten Webseiten auf einem Plan, der dem der Londoner U-Bahn-Plan ähnelt. Ein großes Pdf sowie eine verlinkte Webseite laden zum stöbern ein. Tatsächlich sind eine Menge an Webseiten dabei, auf die ich selbst öfter zugreife, wobei ich mir an diesem Punkt nicht sicher bin, ob ich in Anbetracht dessen, dass mir mein eigenes Main-Stream-Surf-Verhalten so deutlich vor Augen geführt werden kann, eher erleichtert oder eher peinlich berührt sein sollte. Wahrscheinlich beides zugleich. Viel Spaß beim Ansehen jedenfalls!

Where have all the speakers gone...?

"Der Spiegel" hat also den Rückzug der Rhetoriker ausgerufen. Was "der Spiegel" allerdings dabei beobachtet, ist schlicht und einfach ein Stilwechsel.

Jedes Jahrzehnt hat seinen eigenen Stil, seine eigene "Grundtonart", was die politische Rede angeht. Manche Jahrzehnte geben sich kämpferisch, andere eher nüchtern-sachlich. Manche Stiltrends setzen sich durch oder verstärken sich teilweise geradezu selbst, andere dagegen führen quasi zu ihrer eigenen Abschaffung. Stile stabilisieren sich, wenn eine große Anzahl an Akteuren davon ausgeht, dass eine ganz bestimmte Stilausprägung "normal" ist und "erwartet" wird, und daher die Notwendigkeit sieht, die eigenen Reden an dieser Stilart auszurichten.

Eines der obersten Gebote der Rhetorik lautet, dass man sich immer die Frage nach der Angemessenheit seiner Rede bzw. seines Textes stellen sollte - auch und gerade in puncto Redestil. Wer beispielsweise gezielt provozieren oder ein bestimmtes "unangepasstes" Image pflegen möchte, kann über gezielt "unangemessenen" Stil nachdenken. Wer ein Retro-Image pflegen möchte, kann natürlich darüber nachdenken, seine Rede im Stil vergangener Jahrzehnte zu halten. Ein Politiker der heute noch eine Bundestagsrede im Stile Herbert Wehners hält, macht sich damit stilistisch zum Akteur von gestern oder vorgestern. Das kann er bewusst so tun, jedoch ist dies nicht in jedem Falle vorteilhaft.

Die Jugend mag nicht mehr so sein, wie sie früher einmal war, aber sie dennoch - und gerade deshalb - die Jugend. Dasselbe gilt für die Rhetorik. Das Ende der Rhetorik und der Tod der Redekultur, welche bei jedem bemerkbaren Stilwandel in der politischen Redepraxis mit schöner Vorhersagbarkeit ausgerufen werden, sind noch lange nicht gekommen. Die Rhetoriker suchen sich nur in jedem Jahrzehnt andere Werkzeuge um zu wirken und betreiben dennoch - und gerade deshalb - Rhetorik.

Was ist eigentlich mit dem "Spiegel"? "Der Spiegel" ist immer noch, was er früher einmal war. Der Spiegel ist eben der Spiegel ist der Spiegel ist der Spiegel... Vielleicht sieht die Zeitschrift gerade deshalb in jedem Schritt, den sich die politische Redepraxis weiter von Stil und Gestus von "Herbert Wehner - Rainer Barzel - Willy Brandt - Franz-Josef Strauß - Helmut Schmidt - Otto Graf Lambsdorff" entfernt eine Verfallserscheinung anstelle einer Stilentwicklung.

1001 Nacht

"Unserem großzügigen, hochgebildeten und vornehmen Publikum sei hiermit kundgetan, daß dieses köstliche und sehnlich erwartete Buch mit der Absicht geschrieben wurde, einem jeden nützlich zu sein, der darin liest. Hier finden sich höchst lehrreiche Lebensgeschichten, dazu wunderbare Gedanken für Menschen von hoher Bildung. Man kann die Kunst der Rede aus ihnen ebenso lernen wie eine lückenlose Geschichte der Könige seit dem Anbeginn der Zeiten. Ich habe es 'Das Buch von Tausendundeiner Nacht' genannt. Dieses Buch erzählt auch prachtvolle Lebensgeschichten, durch die jeder, der sie hört, Menschenkenntnis erwirbt, so daß ihn keine Hinterlist mehr treffen kann. Darüber hinaus wird dem Zuhörer Erholung und Freude zuteil in Zeiten des Kummers über die Zeitläufte, die zu bösen Taten verführen wollen, doch Gott, der Erhabene, leitet uns auf die rechte Bahn."
Gerade ist mir eine Version von "Tausendundeine Nacht" unter die Hände geraten. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi, in der wunderschönen Übersetzung von Claudia Ott mit einem Nachwort zu Überlieferung und Übersetzung. Diese Überlieferung ist ein Fragment, daher endet das Buch nach der 282. Nacht.

"Tausendundeine Nacht" ist eine Faszination für sich, wahrscheinlich eine der besten Geschichten- und Gedichtesammlungen, die die Welt zu bieten hat. Die ältesten der darin enthaltenen Geschichten haben ihre Ursprünge anscheinend vor über 2000 Jahren in Indien, sind beispielsweise in buddhistischen Schriften des 1. Jhdts. v. Chr. überliefert. Die Erzählungen fanden wohl über das Persische Eingang in die arabische Literatur und wurden dort zu Perlen der orientalischen Erzählkunst geschliffen; neue Geschichten kamen hinzu, z.T. magische Abenteuergeschichten aus dem Ägypten des 11. und 12. Jahrhunderts. Ein autorloses Buch, mit variierendem Geschichtenbestand, oft fragmentarisch. Ein Buch der Volksliteratur voller Abenteuer, Erotik, Magie, Phantastik und Symbolik; ein "verbotenes" Werk, bei vielen gebildeten arabischen Lesern im Verruf und dennoch - gerade deswegen! - gerne gelesen. 1704 schließlich veröffentlichte der Franzose Antoine Galland eine französische Fassung von "1001 Nacht" erstmals in Europa, allerdings hielt er sich nicht streng an den Inhalt seiner arabischen Vorlage. Die Erfolgsgeschichte der Erzählungen aus 1001 Nacht in Europa begann. (Siehe das Nachwort von Claudia Ott.)

Allerdings ist es mir bisher noch nie in den Sinn gekommen, das ganze als Rhetoriklehrbuch zu lesen, wie die Vorrede hier nahelegt. Als Lehrbuch über die Kunst des Redens und des Geschichtenerzählens - was im Arabischen damals offenbar noch sehr viel enger zusammenhängt als heute bei uns; eine Sache, über die nachzudenken sich lohnen würde. Ursprüngliche, abenteuerliche, erotische Geschichten. Unerhaltsame Geschichten. Spannende Geschichten. Geschichten zum genießen, inhaltlich und stilistisch. Geschichten, die man gerne immer wieder hören mag. Geschichten, wie man sie vielleicht von einem "alten arabischen Caféhauserzähler" erwartet. Oder von einem Lügner, aber Lügner sind immer die besten Geschichtenerzähler. Jedenfalls kann ich es kaum erwarten, das Buch von vorn bis hinten durchzulesen.



Literatur:
Tausendundeine Nacht. Aus dem Arabischen von Claudia Ott. dtv: München 2006.

Donnerstag, 3. April 2008

Aktuelle Frage: Blog bekannt machen

"Ich habe ein auch Blog, aber kaum jemand kennt und liest es. Wie schaffe ich es, dass mein Blog bekannter wird?"

Der beste Artikel, den ich zu diesem Thema kenne, ist ein Artikel auf Software Guide: "Wie starte ich ein Blog und mache es bekannt?" Da sind wirklich alle grundlegenden Informationen drin, die man haben muss, um erfolgreich losbloggen zu können.

"Hinterlistige Ratschläge für kreatives Schreiben"

Gerade im Literaturcafé gelesen: Kurt Vonneguts hinterlistige Ratschläge für kreatives Schreiben:

>>
  1. Gehen Sie mit der Zeit eines wildfremden Menschen so um, dass er nicht das Gefühl hat, die Zeit verplempert zu haben.
  2. Geben Sie dem Leser mindestens eine Figur, der er die Daumen drücken kann.
  3. Jede Figur sollte etwas wollen, und sei es nur ein Glas Wasser.
  4. Jeder Satz muss eins von zwei Dingen tun: Charaktereigenschaften enthüllen oder die Handlung vorantreiben.
  5. Fangen Sie so nah am Schluss an wie möglich.
  6. Seien Sie Sadist. Egal, wie süß und unschuldig Ihre Hauptpersonen sind - lassen Sie ihnen schreckliche Dinge zustoßen, damit der Leser sehen kann, wie sie beschaffen sind.
  7. Schreiben Sie so, dass es nur einem einzigen Menschen gefällt. Wenn Sie ein Fenster aufreißen und es mit der ganzen Welt treiben, sozusagen, zieht sich Ihre Geschichte eine Lungenentzündung zu.
  8. Geben Sie Ihrem Leser sobald wie möglich soviel Informationen wie möglich. Soll die Spannung doch sehen, wo sie bleibt. Die Leser sollten so umfassend darüber Bescheid wissen, was wo und warum vorgeht, dass sie die Geschichte selbst zu Ende führen könnten, falls Kakerlaken die letzten paar Seiten gefressen haben.

Alles klar? Wenn nicht, gibt es noch einen lapidaren Nachsatz:

Der Mensch, der in meiner Generation die besten amerikanischen Kurzgeschichten schrieb, war Flannery O’Connor (1925-1964). Sie hat praktisch bis auf die erste jede meiner Regeln verletzt. Große Schriftsteller neigen zu so was.

<<

Was einmal mehr zeigt, dass gute Texte entstehen, wenn Autoren die Regeln beherrschen, und sehr gute Texte entstehen, wenn Autoren die Regeln beherschen und zugleich ein Gespür dafür haben, in welchen Fällen sie sie verletzen sollten.

Freitag, 21. März 2008

In eigener Sache

"Alles bloß Rhetorik" ist nun schon fast 3 Monate alt. Das Baby ist nun sozusagen am Übergang von der Schreiphase in die Lallphase, habe ich mir sagen lassen. :-)

Herzlichen Dank erstmal für die Rückmeldungen, Fragen und Verbesserungsvorschläge die ich bisher bekommen habe! Was als "rhetorisches Potpourri" und Tipp-Sammlung angefangen hat, soll nun doch ein wenig mehr Struktur und Kontur bekommen als bisher. Geplant sind folgende Rubriken, die hoffentlich euren Wünschen und Anregungen entsprechen:

  • About Rhetoric: Beiträge zu Geschichte sowie zu wissenswerten oder einfach nur unterhaltsamen Aspekten der Disziplin Rhetorik.
  • Basics: Grundlegendes zu Theorie und Praxis der Rhetorik.
  • Strategic Thinking: Rhetorik ist die Kunst der strategischen Kommunikation. Die Fähigkeit zu strategischem Denken ist insofern die unverzichtbare Voraussetzung jeder Rhetorik. Unter der Rubrik "Strategic Thinking" sollen deshalb Beiträge zum Thema Strategie, strategisches Denken und Handeln erscheinen.
  • Invent: Diese Rubrik befasst sich mit dem "ersten Produktionsstadium" im klassisch rhetorischen System, mit der Findung kommunikativer Inhalte: Was will ich da überhaupt kommunizieren? Welche Argumente gibt es für mich? Allgemein: Welche sprachlichen Mittel wähle ich aus, um mein kommunikatives Ziel zu erreichen?
  • Formulate: Diese Rubrik fasst die Produktionsstadien 2 und 3 im klassisch rhetorischen System zusammen: Wie ordne ich die gefundenen Inhalte an? Wie verpacke ich passend in Worte, was ich rüberbringen will? Und was hat es eigentlich mit den berühmten "rhetorischen Stilmitteln" auf sich?
  • Communicate: Hier geht es um das 5. Produktionsstadium: Wie läuft der tatsächliche Kommunikationsprozess ab? Wie trage ich erfolgreich und überzeugend vor? Welche Rolle spielen Gestik und Mimik? ...
  • NEToric: Rhetorik im Internet, wie funktioniert das? Genauso wie sonst und zugleich auch völlig anders. Eine Rubrik, auf die ich mich besonders freue!!
  • Business Rhetoric: Rhetorik für Business und Karriere
  • Today: Aktuelles aus Politik, Presse...
  • By the way... Alles, was sonst noch so anfällt.

Donnerstag, 20. März 2008

Blog-Tipp

Heute mal ein bisschen Werbung... Ein intelligentes Blog, in das ich immer wieder gerne reinlese, ist "The Rhetorica Network" von Andrew R. Cline. Wer sich für öffentliche Rhetorik in den USA interessiert, speziell für politische Rhetorik und journalistische Rhetorik, dürfte dieses Blog spannend finden. "Rhetorica" ist sehr USA-zentriert, eine gewisse Vertrautheit mit Persönlichkeiten der US-amerikanischen Politik- und Journalismusszene wird vorausgesetzt. Das Blog ist in englischer Sprache. 

Dienstag, 18. März 2008

Stil ist eben nicht nur Stil
(Konversationsmaximen II)

Mit den Konversationsmaximen von H.P. Grice im Hinterkopf und dem Wissen darum, dass offensichtliche Regelverletzungen automatisch bestimmte Schlussfolgerungen beim Adressaten hervorrufen, wird es Ihnen in Zukunft leichter fallen, die Wirkung Ihrer Worte einzuschätzen.

Bemerkenswert ist, dass es für die Grice'schen Maximen allesamt klassisch-rhetorische Entsprechungskategorien gibt, die teilweise bis in die antike Rhetoriktheorie bei Aristoteles, Cicero und Quintilian zurückverfolgt werden können. Ob sich Grice mit klassischer Rhetorik beschäftigt hat, weiß ich nicht. Dass diese Entsprechungen existieren, zeigt jedoch, dass die klassisch-rhetorischen Forderungen nach Angemessenheit, Klarheit, Kürze etc., die oftmals auf praktischen Beobachtungen der antiken Autoren basieren, nicht nur von stilistischem Interesse sind.

Die Konversationsmaximen liefern den Grund dafür, warum Verstöße wie zum Beispiel "Langatmigkeit" nicht nur "stilistisch unschön" sind und dafür sorgen können, dass das Publikum abschaltet oder einschläft, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene zu äußerst unerwünschten Schlussfolgerungen beim Adressaten führen können. Letztendlich schmälern solche Verstöße Ihre kommunikativen Erfolgschancen enorm.

Zugespitzt gesagt: Stil ist eben nicht nur Stil. Stil ist zugleich immer auch Inhalt.

(Es gibt eine Reihe von Textsorten/Gattungen, bei denen die Grice'schen Maximen nicht oder nur eingeschränkt gelten. Denken Sie z.B. an den Roman: Natürlich muss sich der Autor hier nicht an die Maxime der Qualität halten. Denken Sie an ein Gedicht: Natürlich muss sich der Dichter nicht darum bemühen, die Maxime der Quantität einzuhalten oder "nicht mehrdeutig" zu sein etc.)

Soviel zur Pflicht. Aber es gibt auch die Kür-Seite der Konversationsmaximen. Denn mit dem Wissen um die Möglichkeit gezielter Regelverstöße und dem Wissen um konversationelle Implikaturen können eine Menge an stilistischen-und-nicht-nur-stilistischen Effekten erzielt werden! Viele rhetorische Stilfiguren beruhen auch (aber häufig nicht nur) auf der gezielten Ausschaltung einer oder mehrerer der Grice'schen Maximen und erzielen gerade so ihre Wirkung.

Hier sind ein paar Beispiele:

Maxime der Qualität wird gebrochen:

  • "Ich liebe diese Blödmänner! Was würde ich nur ohne sie tun?" - Ironie.
  • "Er ist der klügste Mensch auf der ganzen Welt." - Übertreibung/Hyperbel.
  • "Dieser Mann ist ein Bollwerk." - Metapher.

Maxime der Quantität wird gebrochen:

  • "Meinst du wirklich er macht das? Meinst du wirklich und ernsthaft er macht das?" - Beispiel für eine Wiederholungsfigur, mit kleiner steigernder Variation in der Wiederholung. Wirkt besonders nachdrücklich, drückt starke Zweifel des Sprechers aus und ist darüber hinaus dazu geeignet, Zweifel auch beim Hörer zu wecken.

Maxime der Relevanz wird gebrochen:

  • "Ich möchte nicht erwähnen, dass diese Idee nicht von mir kam." - Übergehung/Praeteritio.
  • "Hat XY eigentlich eine neue Freundin?" - "Dazu sage ich nichts. In letzter Zeit geht er alle 14 Tage zum Friseur und neulich habe ich ihn in der Abteilung für Herrendüfte getroffen."

Maxime der Modalität wird gebrochen:

  • "Stil ist eben nicht nur Stil" - Widerspruch in sich/Paradox.
  • "Sei bloß vorsichtig!" - "Na, du kennst mich doch." - "Eben." - ebenso diverse andere Formen des Wortspiels, die auf Mehrdeutigkeit beruhen.
  • "Ihr wollt tatsächlich-? Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein!" - Auslassung/Ellipse; der Sprecher scheint das nicht Ausgesprochene für eine Verrücktheit, Ungeheuerlichkeit oder einen Witz zu halten.
  • "Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen" (Goethe, Faust I) - Vertauschung der zeitlichen Reihenfolge/Hysteron proteron.




Äußerungen, deren Bedeutung zum Teil durch Schlussfolgerungen zustande kommt, die der Adressat selbst leisten muss, haben für viele Menschen einen besonderen Reiz; solche Äußerungen gelten oftmals als besonders geistreich oder gewitzt. In der Praxis liegt die Schwierigkeit darin, solche Effekte weder zu platt und zu offensichtlich einzusetzen, noch Aussagen zu konstruieren, bei denen der Gesprächspartner zuerst einen Logiktrainer konsultieren muss, bevor er sie versteht. In diesem Fall gilt: Probieren geht über studieren. Der Experimentierfreudigkeit sind keine Grenzen gesetzt.





Bildnachweise

"Gespräch": S. Hofschlaeger; Pixelio.
"Idee": S. Hofschlaeger; Pixelio.

Zu viel ist zu viel ist zu viel

"Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, ich freue mich sehr, Sie heute alle zu diesem Meeting begrüßen zu dürfen. Wir sitzen heute hier gemeinsam um diesen Tisch, um eine Reihe von Angelegenheiten zu besprechen, teilweise überaus wichtige und dringliche, und ich hoffe, wir werden in den allermeisten Punkten zu Ergebnissen und Lösungen gelangen, die alle Seiten zufrieden stellen. Ich bin sehr froh, dass Sie alle erschienen sind, damit wir diese Dinge gemeinsam diskutieren können. Und obwohl das Wetter draußen eher zu einem Spaziergang als zu einer Konferenz einlädt, möchte ich besonders..."





Na? Gähnen Sie schon? Oder denken Sie sich: So ein Schwätzer, der hat doch bestimmt inhaltlich nichts zu sagen?


"Weniger ist oft mehr", liest man dann in zahlreichen Ratgebern. Aber woran liegt das eigentlich, dass Leute, die dazu neigen, ausschweifend zu erzählen oder zu antworten, sehr schnell in den Verdacht geraten, eigentlich nichts zu sagen zu haben?


Herbert Paul Grice (1913-1988), englischer Sprachphilosoph, hat dazu folgende Theorie entwickelt, die ihm zu einiger Berühmtheit verholfen hat:


In Alltagsgesprächen, sagt Grice, geht jeder Gesprächsteilnehmer zunächst automatisch davon aus, dass seine Gesprächspartner im Normalfall bestimmte Kommunikationsregeln befolgen.



Ganz oben steht dabei das Kooperationsprinzip. Es besagt, dass jeder Teilnehmer seinen Gesprächsbeitrag so gestalten soll, wie das aktuelle Stadium des Gesprächs, der gemeinsame Zweck oder die Richtung des Gesprächs es verlangen.


Unter dieser allgemeinen Regel stehen vier weitere Regeln, die Grice "Konversationsmaximen" nennt:


1. Die Maxime der Quantität.

Hierunter fallen die Vorschriften:
- Mache deinen Beitrag so informativ wie (für den aktuellen Zweck des Gesprächs) nötig.
- Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig.


2. Die Maxime der Qualität

Hierunter fallen die Vorschriften:
- Sage nichts, was du für falsch hälst.
- Sage nichts, wofür du keine angemessenen Anhaltspunkte hast.


3. Die Maxime der Relevanz

Diese besagt einfach: Sei relevant.


4. Die Maxime der Modalität (Art und Weise)

Hierunter fallen die Vorschriften:
- Vermeide eine unklare Ausdrucksweise.
- Vermeide Mehrdeutigkeiten.
- Fasse dich kurz (= vermeide unnötige Weitschweifigkeit).
- Gestalte deinen Beitrag geordnet.


Alle Gesprächsteilnehmer gehen also wie gesagt normalerweise zunächst davon aus, dass die aufgezählten Regeln eingehalten werden. Wenn Sie auf der Straße von einem Unbekannten angesprochen und gefragt werden: "Ich suche den Bahnhof, können Sie mir den Weg beschreiben?" gehen Sie im Normalfall zunächst nicht davon aus, dass der Mann lügt oder dass er eigentlich etwas ganz anderes sucht oder dass er einfach irgendetwas sagt, ohne es zu meinen. Sie gehen davon aus, dass der Unbekannte sich an die Regeln hält. Und wenn Sie ihm daraufhin antworten: "Gehen Sie einfach noch ein Stück geradeaus und biegen Sie an der nächsten Kreuzung links ab", wird der Mann im Normalfall davon ausgehen, dass Sie ihm in ihrer Antwort nach bestem Wissen und Gewissen den Weg zum Bahnhof beschreiben und nicht den Weg zum Sanatorium oder dass Sie einen Teil der Wegbeschreibung einfach weglassen oder die Anordnung der Anweisungen verändern.

Wenn sich ein Gesprächteilnehmer grundlos und ohne dass sein Gesprächspartner dies bemerkt nicht an die Regeln hält, also etwa in unserem Beispiel einfach stillschweigend den Weg zum Sanatorium beschreibt, führt er damit seinen Gesprächspartner in die Irre; es kommt zu Missverständnissen, Unaufrichtigkeiten, ...


Nun gibt es aber noch eine Reihe anderer Fälle, in denen Regeln nicht eingehalten werden, beispielsweise kann es sein, dass zwei Regeln in Konflikt geraten, und der Sprecher entscheiden muss, welche Regel nun wichtiger ist. Dies geschieht bei den meisten Menschen meist ganz intuitiv.


Interessant wird es, wenn ein Sprecher eine Regel absichtlich verletzt, und zwar so, dass der Gesprächspartner dies auch merkt. Dann nämlich fordert er den Gesprächspartner geradezu auf, eine Reihe von Schlussfolgerungen darüber anzustellen, warum diese Regelverletzung stattgefunden hat. Eine Menge an Höflichkeitsmechanismen funktioniert auf diese Weise. Wenn Sie beispielsweise gefragt werden, ob Sie noch auf ein Bier mitkommen, und daraufhin antworten "Aach, ich bin heute so müde", dann ist das eigentlich eine völlig irrelevante Antwort, da Sie nicht gefragt wurden, ob Sie müde sind, sondern ob Sie auf ein Bier mitkommen. Ihr Gesprächspartner wird aus dieser offensichtlichen Regelverletzung jedoch blitzschnell folgern, dass Ihre Antwort als höfliches "Nein" zu verstehen ist. (Grice nennt diese Schlussfolgerungen "konversationelle Implikaturen" einer Äußerung.)




Relativ häufig tritt auch der Fall auf, dass Gesprächspartner A eine Information erfragt, die Gesprächspartner B jedoch nicht in der gewünschte Konkretheit geben kann. Besteht nun bei Gesprächspartner B die Gefahr, dass er sein Gesicht verliert, wenn er wahrheitsgemäß "ich weiß nicht" antwortet (oder zusätzlich seinen Job, wenn er beipielsweise beim Helpdesk arbeitet), wird er versuchen, möglichst unkonkrete, phrasenhafte Sätze zu äußern, um zwar formal "geantwortet" zu haben, zugleich aber bei Gesprächspartner A die Schlussfolgerung zuzulassen, dass er die Antwort eigentlich nicht kennt.


Menschen, die gelernt haben, diese Mechanismen zu erkennen und quasi automtisch die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen, werden auch im allerersten Beispiel der "Konferenzeröffnungsrede" automatisch ähnlich schlussfolgern: Der Redner hält sich nicht an das Kriterium der Relevanz, er wiederholt sich ständig und wird weitschweifig => Er versucht aus einem äußeren Zwang heraus, die Eröffnungsrede irgendwie "rumzukriegen", signalisiert aber, dass es inhaltlich nichts zu sagen gibt.


Besonders hart trifft diese Schlussfolgerung Menschen, die "von Natur aus" zu Weitschweifigkeit und Wiederholungen neigen, damit jedoch keinesfalls nur mit möglichst wenig Gesichtsverlust "die Zeit rumkriegen" wollen, sondern sehr wohl "etwas zu sagen haben". Für sie gilt weiterhin der alte Spruch: Weniger ist oft mehr.



Literatur

H.P. Grice: Studies in the Way of Words. Harvard University Press. 1991.


Bildnachweise

"Konferenztisch": S. Hofschlaeger; Pixelio.
"Talking head": Wikimedia Commons, published under the GNU Free Documentation Licence.
"Sprechblase": Wikimedia Commons, abgeändert, PD-self Public Domain.

Freitag, 1. Februar 2008

Betr.: PowerPoint

"Ich muss da so eine Präsentation machen und will PowerPoint benutzen. Wie mache ich das denn am besten?" - "Brauche ich überhaupt immer dieses PowerPoint, auch wenn ich nur 10 Minuten kurz ein paar Ergebnisse präsentieren soll?" - ... Fragen dieser Art werden mir immer und immer wieder gestellt, deshalb hier einige Gedanken zum Thema PowerPoint.



1. Vorab
1.1. Zwei Texte

Wenn Sie einen Vortrag mit PowerPoint vorbereiten, bereiten Sie theoretisch gesprochen zwei Texte vor:
  1. Zum einen den Text, den Sie mündlich vortragen werden,
  2. zum anderen den PowerPoint-Text (der nicht nur Wörter, sondern auch Grafiken, Tabellen, Bilder usw. enthalten kann - auch dies alles fällt hier unter die Bezeichnung "Text".)
Die beiden Texte können sich (bzw. sollten sich dringend!) im Vortrag aufeinander beziehen.

1.2. Verschiedene Hierarchisierungsmöglichkeiten

Außerdem können verschiedene Hierarchien zwischen beiden gelten:
  1. Der gesprochene Text kann den PowerPoint-Text klar dominieren, d.h. der PowerPoint-Text dient im weitesten Sinne der "Kommentierung" des mündlichen Texts;
  2. beide Texte können gleichwertig nebeneinander stehen;
  3. der PowerPoint-Text kann den mündlichen Text dominieren; wenn dies durchgehend gemacht wird, hat der Zuhörer oftmals den Eindruck, dass "Folien durchgeklickt" werden, ohne dass im gesprochenen Text substantielle Zusatzinformation zu den Folien gegeben würden. Ein solches "Folienklicken" wirkt auf die Zuhörer in der Regel negativ.
Während des Vortrags muss nicht strikt eine Hierarchisierung durchgehalten werden; es kann Passagen geben, in denen den mündliche Text den PowerPoint-Text klar dominiert (oder in denen es überhaupt keinen kommentierenden PowerPoint-Text gibt), sowie Phasen, in denen beide Texte mehr oder weniger "gleichberechtigt" nebeneinanderstehen usw.

1.3. Zwei Kanäle

Der PowerPoint-Text ist dabei ein Text, der über den visuellen Kanal übermittelt wird, während es sich bei dem gesprochenen Text natürlich um einen Text handelt, der über den auditiven übertragen wird. Wenn Sie beide Texte gleichzeitig benutzen, senden Sie damit gleichzeitig auf zwei Kanälen.

Es ist wichtig, dass Sie diese drei grundlegenden Punkte stets im Auge behalten.

2. Wozu dient PowerPoint?

PowerPoint ist also ein Instrument zur Visualisierung von Teilen Ihres Vortrags. Auf jeder Folie gibt es nur einen begrenzten Platz für Elemente (außer Sie machen die Elemente so klein, dass keiner sie mehr erkennen kann, was in der Tat häufig passiert).

PowerPoint ist also gut, um Zusammenhänge kurz und im Überblick graphisch darzustellen oder Sachverhalte zu visualisieren, die nicht oder nicht ohne erheblichen Aufwand mündlich vorgetragen werden können (Gliederungen, Bullet-Listen, Bilanzen, Schaltpläne, Mind Maps, ...).

PowerPoint ist in der Regel nicht geeignet dafür, komplexe Sachverhalte im Detail darzustellen.



3. Wie PowerPoint benutzen?
3.1. Lernen und PowerPoint


Unter den Menschen gibt es verschiedene "Lerntypen". Manche Menschen können sich Sachverhalte besser einprägen, wenn sie sie sehen (visueller Lerntyp), andere besser, wenn sie sie hören (auditiver Lerntyp), wieder andere, wenn sie sie selbst aufschreiben (motorischer Lerntyp) oder wenn sie sich darüber unterhalten (kommunikativer Lerntyp). Die meisten Menschen sind ein "Mischtyp"; dennoch haben sie einen oder mehrere Sinne, über den/die die aufgenommenen Informationen besonders leicht im Gedächtnis haften bleiben, während über andere Sinne nicht so leicht gelernt werden kann.

PowerPoint bietet nun (wie oben gesagt) die Möglichkeit, nicht nur über den auditiven sondern auch über den visuellen Kanal zu senden und damit verschiedene Lerntypen anzusprechen. D.h. Menschen in ihrer Zuhörerschaft, die schneller über das Hören lernen, prägen sich Ihren gesprochenen Text leicht ein, Menschen, die schneller über das Sehen lernen, prägen sich Ihren PowerPoint-Text leicht ein.

Nach dem Motto "viel hilft viel" versuchen deshalb Vortragede oft, voll auf allen Kanälen zu senden ("kumulative Methode"), um möglichst viel Gedächtniseffekt bei Publikum zu erreichen.

Doch hier ist Vorsicht geboten! Die mentalen Kapazitäten Ihrer Zuhörer sind nicht unbegrenzt. Manche Menschen sind in der Lage, eine Vielzahl an Sinnesreizen gleichzeitig zu verarbeiten und eine Vielzahl an Aufgaben gleichzeitig zu erledingen ("Multi-Tasking"). Andere dagegen können sich nur auf eine Sache zur gleichen Zeit konzentrieren. Ein Überangebot an Sinnesreizen ("Senden auf allen Kanälen") bewirkt dann oftmals, dass das Gehirn dieser Zuhörer nicht mehr weiß, auf welchen Reiz es sich konzentrieren soll. Es kommt zu einem "Hin-und-Her-Springen" der Aufmerksamkeitsfokussierung zwischen dem gesprochenen Text und dem PowerPoint-Text - und hinterher haben Sie Ihre Zuhörer zwar gründlich verwirrt, tatsächlich im Gehirn gespeichert wurden die von Ihnen vermittelten Inhalte jedoch nicht.


3.2. Aufmerksamkeitslenkung und PowerPoint

Das A und O bei der Vermittlung von Informationen ist neben einem strukturierten Vortrag vor allem eine erfolgreiche Lenkung der Aufmerksamkeit bei der Zuhörerschaft. Stellen Sie sicher, dass Ihre Zuhörer wissen, welcher Text in der Hierarchie gerade oben steht, welchem Kanal sie also gerade besonders viel Aufmerksamkeit widmen sollten. Verbalisieren Sie Hierarchieänderungen, wenn nötig.

Sagen Sie z.B.: "Ich zeige hier mal den Schaltplan und kommentiere gleich noch ein paar Sachen dazu." - In diesem Fall wissen Ihre Zuhörer, dass sie sich hauptsächlich auf den PowerPoint-Text konzentrieren können, während der gesprochene Text eher kommentierende Funktion hat.

Oder sagen Sie: "Ich zeige hier mal unsere letzte Bilanz, damit Sie einen Überblick bekommen, wichtig sind jedoch nur die drei rot markierten Zeilen, über die ich jetzt gleich ausführlich berichten werde." - Dann ist Ihren Zuhörern klar, dass sie sich nicht die Mühe machen müssen, die komplette Bilanz zu lesen, sondern dass der PowerPoint-Text nur einen visuellen Kommentar zu ihren gesprochenen Ausführungen darstellt.

Bedenken Sie auch, dass jeder neue Reiz zunächst die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich zieht. Wenn Sie also eine neue PowerPoint-Folie an die Wand werfen, wird eine große Zahl an Zuhörern die Aufmerksamkeit für Ihren gesprochenen Vortrag für kurze Zeit verringern und die Aufmeksamkeit für die neue Folie erhöhen. Schalten Sie also z.B. nicht mitten im Satz auf eine neue Folie um, wenn Sie sicherstellen wollen, dass Ihre Zuhörer das Ende des Satzes noch mitbekommen.



4. Wann PowerPoint benutzen?

Wann Sie PowerPoint überhaupt benutzen sollten, können Sie sich, unter Berücksichtigung der oben genannten Sachverhalte selbst überlegen, wenn Sie über folgende Punkte nachdenken:
  1. Was ist mein Thema? Gibt es da Elemente, die einer Visualisierung bedürfen?
  2. Welches sind die Vortragsmaßgaben? Habe ich z.B. nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung und sollte deshalb ein (schnell zu überblickendes) Schaubild an die Wand werfen, das sich die Zuhörer sich auf einen Blick einprägen können, weil für Details sowieso keine Zeit bleibt? Habe ich nur fünf Minuten und will aber eben kein Schaubild zeigen, um eine Übersimplifizierung der Sachverhalte zu vermeiden oder zu vermeiden, dass die Zuhörer meinem gesprochenen Text zu wenig Aufmerksamkeit widmen? ...
  3. Wie sind die Rahmenbedingungen? Gibt es beispielsweise einen Beamer in dem Konferenzraum, in dem Sie sprechen sollen, oder wäre es auch möglich, den visuellen Kanal dadurch zu bedienen, dass Sie etwas auf ein Flipchart zeichnen? ...
  4. Was sind die Gepflogenheiten? Wird beispielsweise von Ihnen erwartet, dass Sie PowerPoint benutzen, weil man Sie sonst für altmodisch, technisch nicht versiert usw. hält? Oder wird ein Einsatz von PowerPoint eher negativ bewertet, weil man Sie dann für einen Wichigtuer ansieht? Die Art des Mediums, die Sie benutzen, hat immer auch einen Effekt auf Ihr Image. Tatsächlich scheint PowerPoint ein besonders umstrittenes Präsentationsinstrument zu sein. In manchen Kreisen wirkt es sich ausgesprochen negativ auf das Image des Vortragenden aus, wenn dieser kein PowerPoint benutzt, während umgekehrt in anderen Kreisen die Devise gilt: Wer PowerPoint benutzt, produziert sicherlich nur heiße Luft und will sich wichtig machen.
5. Eine Bemerkung zum Schluss

Es scheint immer mehr in Mode zu kommen, die erstellten PowerPoint-Dateien nach dem Vortrag als "Gedächtnisstützen" an die Zuhörer zu verschicken oder im Netz online zu stellen. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Es scheint jedoch mittlerweile vielfach so zu sein, dass diese PowerPoint-Texte inhaltliche Vortragszusammenfassungen oder Sitzungsprotokolle ersetzen sollen.

So ist es mehrfach vorgekommen, dass ich einer Person geraten habe, ihre PowerPoint-Folien nicht mit Bullets zu überfüllen, sondern lieber nur wenige übrgeordnete Punkte aufzulisten und den Rest im gesprochenen Text vorzutragen, worauf die Antwort war: "Aber die Folien werden hinterher an alle Teilnehmer gemailt und wenn es dann nicht auf den Folien steht, kann es keiner mehr nachlesen. Dann sehen die Leute ja praktisch nur die Überschriften, aber nicht den Inhalt."

Dazu muss gesagt werden: PowerPoint-Texte, die für den Vortrag gemacht wurden, sind nicht dazu da, Protokolle oder Vortragszusammenfassungen zu ersetzen. Es ist in 99% der Fälle unmöglich, PowerPoint-Texte so zu konzipieren, dass sie neben einem gesprochenen Text in einem Vortrag sinnvoll eingesetzt werden sowie gleichzeitig als sinnvolle Vortragszusammenfassung dienen können.

Die Bedürfnisse, die von einem visuellen Text für einen Vortrag bedient werden müssen, und die Bedürfnisse, denen eine Vortragszusammenfassung gerecht werden soll, sind viel zu unterschiedlich, um von ein und demselben Text gestillt werden zu können.

Falls ihr PowerPoint-Text tatsächlich eine inhaltliche Vortragszusammenfassung ersetzen soll, machen Sie zwei Fassungen: Erstellen zuerst eine ausführliche Fassung, die dann als Vortragszusammenfassung herumgemailt wird, und streichen Sie aus dieser alle für die Vortragssituation überflüssigen und verwirrenden Elemente. Das macht nicht besonders viel mehr Arbeit, erzielt aber einen besonders viel besseren Effekt beim Vortrag.



Bildnachweise

Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von Pixelio.de oder von Wikimedia Commons. Z.T. wurden die Bilder abgeändert. Die Originale finden Sie hier:

Göttliche Suada

In der Antike hatte die Rhetorik tatsächlich ihre eigene Göttin. Bei den Griechen hieß sie Peitho, bei den Römern Suada oder manchmal auch Suadela.

Zuständig war Peitho für die sanfte Überredung. Ein pikantes Detail dabei ist, dass Peithos spezielle Fähigkeit darin lag, junge Mädchen dazu zu überreden, ihre erotische Zurückhaltung aufzugeben; wer als Mann die Göttin Peitho auf seiner Seite hatte, dem war daher Glück in der Liebe sicher. In der griechischen Mythologie taucht Peitho unter anderem im Gefolge der Liebesgöttin Aphrodite oder des Hermes auf.

Heute bezeichnet der Begriff "Suada" meist nur noch einen Redeschwall oder einen nicht mehr enden wollenden Redefluss, obwohl sich laut Duden daneben noch die Bedeutungen "Beredsamkeit", "Überredungskunst" erhalten konnten.

Dass Rhetorik und Erotik in der Gestalt der Peitho/Suada eine nicht zu trennende Verbindung eingehen, könnte Ausgangspunkt für eine Menge interessanter Überlegungen sein, deren Ausführung ich momentan aber auf einen späteren Zeitpunkt verschieben muss. Kommentare und Anregungen sind natürlich willkommen.

Sonntag, 20. Januar 2008

Wie man über ungelesene Bücher spricht

Über ungelegte Eier spricht man nicht, sagt der Volksmund. Über ungelesene Bücher... nun ja.

Was würden Sie beispielsweise Ihrer Angebeteten antworten, wenn diese bei Ihrer ersten Verabredung plötzlich beginnt, von der unglaublich intensiven und sinnlichen Bildsprache des italienischen Renaissancedichters Alessandro Garberini zu schwärmen?

[1] "Alessandro Wer? Nichts für ungut, aber ich sehe da lieber fern. Die vielen kleinen, schwarzen Buchstaben auf so einer Buchseite machen mich immer ganz kribbelig. Schlimmer als eine Kolonne Ameisen im Hosenbein."
[2] "Garberini, hm. Persönlich bevorzuge ich ja Petrarca, aber das ist sicherlich Geschmackssache..."
[3] "Klar, Garberini. Was die sprachliche Elaboriertheit der Verse und die Dichte der Bilder angeht, ist Garberini einfach ein unübertroffener Meister. Vielleicht auch ein unübertreffbarer Meister, wer weiß."
[4] "Uff. Äh. Waren wir tatsächlich verabredet?"

Als wunderbar geistreiche Lektüre für alle Zeitgenossen, die sich mit diesem oder ähnlichen Problemen bereits herumschlagen mussten, oder möglicherweise für den Ernstfall gut vorbereitet sein wollen, bietet sich Pierre Bayards neuestes Buch an - in deutscher Übersetzung von Lis Künzli: Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat.

Was ist eigentlich ein Buch, das man nicht gelesen hat, fragt Bayard. Ist ein quergelesenes Buch nicht gelesen? Oder ein zur Hälfte gelesenes Buch? Ist ein Buch, dass man von vorm bis hinten gelesen, aber ganz oder zum Teil bereits wieder vergessen hat, gelesen oder nicht gelesen? Sind die Grenzen zwischen "gelesen" und "nicht gelesen" vielleicht fließender als man denkt? Und ist es daher vielleicht gar nicht so schlimm, ein Buch "nicht gelesen" zu haben? Kann es womöglich sogar von Vorteil sein?

Wie äußert man sich über ein ungelesenes Buch, wenn man plötzlich den Buchautor vor sich hat? Oder eben vor der oder dem Liebsten eine gute Figur machen muss? Was passiert, wenn sich zwei Personen über ein Buch unterhalten, das sie beide nicht gelesen haben?

Schämen Sie sich nicht! empfiehlt Bayard. Setzen Sie sich durch und erfinden Sie notfalls die nötigen Bücher.

Der italienische Renaissancedichter Alessandro Garberini ist übrigens auch frei von mir erfunden. Pierre Bayard dagegen nicht. Und ich habe das hier besprochene Buch auch tatsächlich gelesen. Doch! Indianerehrenwort... ;-) Und hier kommt meine Bewertung:

Bayards neuestes Werk ist ein äußerst humorvolles, tiefsinniges und intelligentes Buch. Absolut empfehlenswert. Es besteht die Gefahr, dass Sie es aufklappen und dann nicht mehr aus der Hand legen werden, bis sie am hinteren Buchdeckel angelangt sind. Zumindest dieses Buch hat richtig gute Chancen, von einer Menge Leute tatsächlich "gelesen" zu werden.

Montag, 7. Januar 2008

Wortverknüpfungsphantasien...

Da sag noch einer in alten lateinischen Rhetorikschmökern recherchieren zu müssen sei trocken und geistabtötend!

Heute gefunden: Quintilian schreibt über die Fehler bei der Verknüpfung einzelner Wörter, dass es kritikwürdig sei, wenn man zwei Wörter so hintereinandersetzt, dass die letze Silbe des ersten Wortes mit der ersten Silbe des zweiten Worts ein unschönes bzw. unanständiges Wort ergibt.
(Quelle: Marcus Fabius Quintilianus: Institutio oratoria, IX,4,33.)

Uh, da sind der kreativen Phantasie ja keine Grenzen gesetzt...

Sonntag, 6. Januar 2008

"Muss ich denn erst Argumentationstheorie und Logik pauken, um meinen Chef zu einer Gehaltserhöhung überreden zu können?" (Teil 2)

"Theoretisches Wissen und praktisches Wissen, schön und gut", lautet die Antwort dann meistens, "aber jetzt bin ich nun mal weder Verkaufsprofi noch Politiker, also muss ich eben doch Rhetoriktheorie pauken, um meinem Chef ein paar Euro Gehalt mehr zu entlocken."

Ok, vielleicht müssen Sie tatsächlich ein bisschen...

Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass viele Leute über mehr praktische rhetorische Kompetenz verfügen, als sie selbst glauben; man muss ihr nur ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn Sie sich die richtigen Fragen stellen, werden deshalb viele Antworten "wie von selbst" kommen...

Vielen Leuten, die tatsächlich nicht vorhaben, Kommunikationsprofis zu werden, sondern eben nur "den Chef mal um eine Gehaltserhöhung bitten" wollen, hilft deshalb oftmals bereits ein einigermaßen "untheoretischer" Fragenkatalog in Verbindung mit wenigen praktischen Tipps, um ihre verborgenen Kompetenzen zu Tage zu fördern.

Als hilfreich erwiesen sich vor allem folgende sieben Punkte:

  1. Überlegen Sie sich im Voraus genau, was sie sagen wollen.

    Kommunikation ist das Werkzeug, das sie dazu einsetzen, Ihr Ziel zu erreichen. Wählen Sie Ihre Werkzeuge deshalb sorgfältig im Voraus aus. Falls Sie nicht ausgesprochen geübt sind, begeben Sie sich nicht unvorbereitet in ein wichtiges Gespräch, um "mal zu sehen, was sich so ergibt"!

  2. Verschaffen Sie sich Klarheit über die eigenen Zielvorstellungen und Präferenzen. Verschaffen Sie sich ebenfalls Klarheit darüber, was auf keinen Fall passieren soll.

    Je genauer Sie darüber Bescheid wissen, was Sie erreichen und vermeiden wollen, desto geeigneteres Werkzeug können Sie für diese Zwecke aussuchen. Wer nicht sicher weiß, ob er einen Nagel in die Wand schlagen oder ein Loch für einen Dübel bohren will, ist nicht in der Lage, geeignete Werkzeuge zu wählen!

  3. Ausschlaggebend für die Wahl ihrer "kommunikativen Werkzeuge" ist immer Ihr Gesprächspartner!

    Verschaffen Sie sich daher Klarheit darüber, mit wem Sie sprechen und welche Rolle Ihr Gesprächspartner während des Gesprächs einnimmt. Wenn Sie mit Herrn Müller als Ihrem Chef sprechen, wird er sich anders verhalten, als wenn Sie mit Herrn Müller als Ihrem Nachbar sprechen oder mit Herrn Müller als Familienvater usw. Beachten Sie besonders bestehende Machtverhältnisse, die möglicherweise zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner relevant werden könnten. Eine Bitte an den Chef muss in jedem Fall in einem anderen "Ton" formuliert werden als ein Vorschlag an einen Mitarbeiter. Wozu man Person A "dringend auffordern" kann, das kann man unter Umständen von Person B nur "höflich erbitten" etc.

    Wichtig: Bedenken Sie unbedingt, dass die besten Argumente nicht die sind, die Sie selbst für die überzeugendsten halten, sondern die, die Ihr Gesprächspartner für am überzeugendsten halten wird. Schließlich wollen Sie nicht den Preis für besonders formvollendetes Argumentieren gewinnen, sondern möglichst sicher Ihr Ziel erreichen!

  4. Bedenken Sie im Voraus, welche Reaktionsmöglichkeiten Ihr Gesprächspartner auf Ihre Gesprächsbeiträge hat bzw. welche Reaktionen Ihres Gesprächspartners wahrscheinlich sind.

    Machen Sie sich bereits bevor Sie ins Gespräch gehen klar, welche möglichen Einwände Ihr Gesprächspartner erheben könnte und wie Sie diese (vielleicht sogar schon bevor sie erhoben werden) entkräften könnten.

  5. Denken Sie darüber nach, in welcher Situation Sie sprechen.

    Wo sprechen Sie? Wann sprechen Sie? Wer ist noch anwesend? Zu welchem Anlass sprechen Sie? Und so weiter. Bedenken Sie auch, dass Sie Ihr Anliegen möglicherweise in bestimmten Situationen leichter verwirklichen können als in anderen. (Ist Ihr Chef z.B. zugänglicher, wenn Sie in der Mittagspause ein informelles Gespräch unter vier Augen bei einer Tassee Kaffee beginnen, oder schätzt er es eher, wenn man rechtzeitig vorher einen offiziellen Termin mit seiner Sekretärin vereinbart?) Beachten Sie, dass ein informelles Gespräch in der Mittagspause in einem anderen Ton geführt werden kann und muss als ein offizielles Gespräch im Büro Ihres Chefs, besonders wenn noch andere Personen anwesend sind etc.

  6. Denken Sie über die Angemessenheit Ihrer Aussagen nach.

    Ist das, was Sie sagen und wie Sie es sagen, in der Situation, in der Sie es sagen, angemessen? Ist das, was Sie sagen, angemessen im Bezug auf Ihr Ziel? Ist es angemessen im Bezug auf Ihren Gesprächspartner und angemessen im Bezug auf Ihre eigene Person? Ist es möglicherweise unter bestimmten Umständen nützlich, sich unangemessen zu verhalten? (Unterschätzen Sie aber nicht das Risiko solcher "unangemessenen Kommenare".)

  7. Denken Sie schließlich nicht nur an Ihre kurzfristigen, sondern auch an Ihre langfristigen Ziele!

    Durch provokatives Verhalten oder "Ramboverhalten" können Sie möglicherweise in einer bestimmter Situation Ihr Ziel sehr gut erreichen - langfristig kostet es Sie allerdings Sympathien. Umgekehrt kann allzu "nettes" und "kooperatives" Verhalten kurzfristig Streitigkeiten verhindern - langfristig stehen Sie damit möglicherweise als der "gutmütige Trottel, mit dem man alles machen kann" da. Beachten Sie deshalb in jedem Gespräch auch immer die langfristigen Folgen, die dieses für Sie haben kann.

"Muss ich denn erst Argumentationstheorie und Logik pauken, um meinen Chef zu einer Gehaltserhöhung überreden zu können?" (Teil 1)

Immer wieder werde ich danach gefragt, wieviel theoretisches Wissen über Rhetorik notwendig ist, um überzeugend kommunizieren zu können. "Muss ich denn erst Argumentationstheorie und Logik pauken, um meinen Chef zu einer Gehaltserhöhung überreden zu können?" ist so eine typische Frage.

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht ganz einfach. Zunächst ist nicht alles "Wissen", das eine Person besitzt, theoretisches Wissen. Besonders wenn es um Sprechen und Sprache geht, spielt das "praktische Wissen", die "Handlungskompetenz" einer Person eine wichtige Rolle. Es geht um ein Wissen, das die Menschen dazu befähigt, bestimmte Dinge quasi "intuitiv" erfolgreich zu tun, ohne dass sie die theoretischen Hintergründe dafür benennen könnten.

Personen deren Muttersprache Deutsch ist, wissen sehr genau, dass die Sätze "Martin ist groß" und "Martin ist ein großer Mann" korrekt sind, die Sätze "Martin ist großer" und "Martin ist ein groß Mann" dagegen nicht. Dafür brauchen sie kein theoretisches Wissen über die Grammatik des Deutschen zu haben. Sie müssen nicht wissen warum das so ist, es reicht ihnen zu wissen, dass es sich so verhält. Ihr praktisches Wissen, das sie durch jahrelanges Sprechen erworben haben, reicht aus. - Das bedeutet allerdings nicht, dass ein theoretisches Wissen über die deutsche Grammatik nicht (besonders in kniffligen Fällen) sehr hilfeich und vorteilhaft für den einzelnen sein kann, besonders, wenn Deutsch z.B. eben nicht seine Muttersprache ist.

Ähnlich wie mit der "grammatischen Kompetenz" ist es auch mit der "kommunikativen" oder "rhetorischen" Kompetenz. So entwickeln beispielsweise professionelle Verkäufer oder Politiker mit der Zeit ein unglaubliches "intuitives Gespür" , ein "praktisches Wissen" dafür, welches Argument in einer bestimmten Situation "zieht", welche Formulierungen bei einer bestimmten Person besonders gut "ankommen" und welche eben nicht. Das muss ein Verkäufer nicht theoretisch begründen und erklären können; es ist für ihn einfach "Intuition" und "es funktioniert". - Das bedeutet allerdings nicht, dass ein theoretisches Wissen über Rhetorik nicht hilfreich und vorteilhaft für Sie sein kann; besonders wenn Sie eben nicht Verkaufsprofi oder Politiker mit jahrzehntelanger Berufserfahrung sind.

Freitag, 4. Januar 2008

Ich sag dir was, was du schon weißt...

Pünktlich zu den ersten Vorwahlen in den USA erschien auf den Internetseiten des "TIME magazine" ein interessanter Artikel von Kenneth Baer und Jeff Nussbaum (beide Kommunikationsprofis, beide ehemalige Redenschreiber von Al Gore) über die Rhetorik der Gewinner und Verlierer einer Vorwahl.

Da es sich keiner leisten könne, bereits nach der ersten Vorwahl wie ein Verlierer zu klingen, gebe es für die Redenschreiber der "Verlierer" im Prinzip drei Möglichkeiten:

  1. Aus irgendeinem Grund den (moralischen, relativen usw.) Sieg erklären, selbst wenn man nicht gewonnen hat.
  2. Die Ausbaufähigkeit der eigenen Position betonen, indem man z.B. eine "kreative Interpreatation" der Ergebnisse vornimmt und verspricht, dass es ab jetzt so richtig los geht.
  3. Erklären, dass die Ergebnisse nichts aussagen (z.B. wegen der speziellen Umstände usw.) und dass man gar nicht damit gerechnet hatte, zu gewinnen, ja, dass man eigentlich auch gar nicht ernsthaft versucht hatte, hier und heute den Sieg zu erringen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich solche Artikel lese, habe ich automatisch eine Menge Politikersätze wie diese im Ohr:
  1. Sieben Prozent sind ein großartiges Ergebnis für eine kleine Partei wie die unsere.
  2. Ja sicherlich ist das eine Enttäuschung, wir werden uns jedoch mit allen Kräften weiterhin für eine bessere Politik in Deutschland einsetzen und die Wähler bei den nächsten Wahlen dann hoffentlich wieder für uns gewinnen.
  3. Das Landtagswahlergebnis war selbstverständlich auch ein Spiegel der negativen Stimmung im Volk, die im Moment gegen die Bundespartei herrscht, insofern haben wir da noch vergleichsweise gut abgeschnitten...
Von den Pressesprechern großer Unternehmen kennt man dieselben Argumentationsmuster natürlich auch:
  1. Wir sind sehr zufrieden, dass wir unsere Position am Markt halten konnten. Das allein ist schon ein großer Sieg für unser Unternehmen.
  2. Was wir hier erleben, sind Startschwierigkeiten bei der Einführung eines neuen Produkts, die aber sicher bald überwunden sein dürften.
  3. Die Erwartungen, die von außen an uns herangetragen wurden, waren bei Weitem zu hoch und völlig unrealistisch. Wir haben niemals versucht, solchen überzogenen Erwartungen allen Ernstes gerecht zu werden.
Klingt alles irgendwie so, als hätte man es bereits vorher schon tausendmal gehört und vorher schon gewusst.

Und tatsächlich liegt die Überzeugungskraft solcher Aussagen genau darin begründet, dass Sie es wirklich irgendwie bereits vorher gewusst haben.

Aussagen wie die oben genannten basieren auf sog. "Topoi" oder "Gemeinplätzen", auf allgemeinen Denk- und Ausdrucksmustern, die bei den meisten Leuten anerkannt und aus dem Alltag völlig vertraut sind. ("Alte Menschen neigen dazu, starrköpfig zu sein." "Ein guter Verlierer steht auf und macht weiter." ...) Ein und derselbe Topos kann dabei auf alle möglichen unterschiedlichen Situationen angewandt werden: Politik, Wirtschaft...

Und genau deshalb, weil Sie diese allgemeinen Denkmuster bereits kennen und anerkennen, finden Sie dann auch die spezielle, darauf aufgebaute Aussage "irgendwie einleuchtend".

Der Großteil der Argumentationsmuster, die Sie im Alltag anwenden, dürfte wohl topischer Art sein, ohne dass Ihnen das jemals aufgefallen ist. Der Rückgriff auf topische Muster ist sozusagen die "natürliche" Art zu argumentieren, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es im Alltag unglaublich schwierig bis unmöglich ist, zwingende logische Beweise für irgendetwas anzuführen.

Nur... Wenn die Gemeinplätze und Argumentationsmuster, auf die man zurückgreift zu platt sind, wenn sie zu offensichtlich und zu häufig angewandt werden, klingt eine Rede einfach nur abgedroschen, vorhersagbar und hohl.

Tatsächlich wäre ich heute nicht besonders gerne Klient der Herren Baer und Nussbaum, wenn sich herausstellt, dass meine Kommunikationsexperten für eine Nach-Wahl-Rede nur genau drei Argumentationsmuster kennen - die allesamt auf sehr "abgenutzten" Gemeinplätzen aufbauen...

Mittwoch, 2. Januar 2008

Guter Zauberer - Böser Zauberer


Rhetorik fasziniert. Immer wieder. Rhetorik ist die Kunst strategischer Kommunikation, die Kunst des Überzeugens. Als solche ist sie eine Macht, unbestreitbar.

Wer nicht nur "vor sich hin redet", sondern gelernt hat, Sprache gezielt so einzusetzen, dass ein Gesprächspartner nach den Gespräch möglichst die Überzeugungen des Sprechers teilt, hat ein mächtiges Instrument zur Verfügung, das ihr/ihm hilft, die eigenen Interessen im zweifelsfall besser durchzusetzen als andere.

Aus diesem Grund schwankt das Bild des Rhetorikers zwischen der Vorstellung vom "guten Zauberer", der durch seine Wortmagie der besseren Idee zum Durchbruch verhelfen kann, und der Vorstellung vom "bösen Zauberer", der ein gefährlicher Manipulator ist, den Leuten mit seinen Reden den Kopf vernebelt und ihnen seinen eigenen dunklen Willen aufzwingen kann.

Wie jedes Instrument, kann auch die Rhetorik sowohl zum Guten als auch zum Schlechten verwendet werden. Der geübte Rhetoriker hat allerdings den Vorteil, dass er Manipualtionsversuche leichter durchschaut als kommunikativ unbedarftere Zeitgenossen. Rhetorik hilft also nicht nur beim Reden, sondern auch beim Verstehen – beim Durchschauen der Strategien und (verborgenen) Absichten anderer.

Die Rhetorik ist übrigens ursprünglich ganz und gar kein Kind diktatorischer Herrrschaft, sondern umgekehrt ein Kind der Demokratie.

Die ersten Zeugnisse von Rhetorik als Disziplin in Europa stammen aus dem fünften Jahrhundert vor Christus und sind Folge der Demokratisierung in Sizilien und Athen. Die Herrschaft der Tyrannen war dort beendet worden; in der Folge kam es zu einem Aufbrechen von Interessensgegensätzen, was auch eine Flut von Gerichtsprozessen nach sich zog. Was man nun also brauchte, waren Leute, die einem helfen konnten, die eigenen Interessen durchzusetzen – und zwar mit Worten.

In der antiken Römischen Republik galt die Rhetorik als unverzichtbarer Bestandteil für die Ausbildung angehender Staatsmänner. Cicero ordnete ihr in dieser Hinsicht alle anderen Künste und Wissenschaften nach – sogar die Philosophie. In Senatsreden, in Reden vor dem Volk und vor Gericht fand die Rhetorik rege praktische Anwendung. Aus der politischen Öffentlichkeit verschwand die Rhetorik damals zusammen mit der Demokratie: als in Rom Kaiser herrschten und öffentliche Kritik unerwünscht wurde.

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Bild: Edward Kelly: A Magician. 1806.

Dienstag, 1. Januar 2008

Äh!

Ich freue mich, pünktlich zu Beginn des neuen Jahres auch ein neues Weblog präsentieren zu können! "Alles bloß Rhetorik" heißt "das Neue" und ich hoffe, ihr mögt es.

Es gibt eine goldene Regel für Anfänge, die lautet:

Beginne niemals mit einem "Äh".
Niemals? Nun, naja... Ein kleines, tapferes Blog leistet heute einmal Widerstand gegen diese Regel... :-)

Für einen kurzen Moment hatte ich ja sogar mit dem Gedanken gespielt, das Ding den "Äh-Rhetorikblog" zu nennen, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Schließlich ist seit spätestens September letzten Jahres bekannt, dass sich Wörter, die auf ein "Äh" folgen, leichter einprägen als andere.

So ein kleines Äh steigert tatsächlich die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer. Es unterbricht den Redefluss und zeigt an, dass Sie als Sprecher möglicherweise gerade einen besonders schwierigen oder vertrackten Gedanken in Worte zu kleiden versuchen. Oder dass Sie Ihren Gedankengang unterbrochen haben und ein völlig neuer Gedanke folgen könnte. In jedem Fall machen sich ihre Zuhörer oder Gesprächspartner darauf gefasst, gleich etwas Schwieriges, Wichtiges oder Überraschendes zu hören und konzentrieren sich automatisch besser.

Der Effekt: Was nach dem "Äh" gesagt wird, wird aufmerksamer gehört und bleibt deshalb auch länger im Gedächtnis haften.

Da sag noch mal einer, Edmund... äh... Stoiber sei ein schlechter Redner! - Ist er also in Wirklichkeit gar ein cleverer Rede-Taktiker gewesen? Oder waren es am Ende doch zu viele Ähs, Ähms und Ähäms?

Seien Sie zumindest äußerst vorsichtig, wenn Sie die "Äh-Taktik" selbst anwenden wollen!

Zu viele Ähs und Ähms beschädigen nachhaltig Ihr Ansehen.

Möglicherweise wird ihr Gesprächspartner beginnen, an Ihrer Sprachkompetenz zu zweifeln, wenn Sie es nicht schaffen, auch nur wenige Sätze ohne Stottern und Unterbrechungen zu äußern. Was noch schwerer wiegt: Besonders wenn auf "Ähs" tatsächlich kein besonders schwieriger oder überraschender Gedanke folgt, wird man nicht nur an Ihrer sprachlichen, sondern darüber hinaus auch an Ihrer sachlichen oder gar an Ihrer gedanklichen Kompetenz zweifeln.
Leute die dauernd grundlos "äh" sagen, werden gerne für inkompetent und unintelligent gehalten - und bieten ihren Gegnern damit viel Angriffsfläche für Spötteleien aller Art.

Ähs an der falschen Stelle können Sie darüber hinaus unglaubwürdig, unentschlossen oder sogar unehrlich aussehen lassen. Sätze wie "Äh... ich wollte betonen... äh... dass ich das ganz... äh... entschlossen ablehne" oder "Ich... äh... freue mich wirklich... äh..., dich zu sehen" oder "Neinnein... äh... da war ich... äh... unterwegs" tragen sicherlich nicht zur Erhöhung Ihrer Glaubwürdigkeit bei.

Selbst gut äh-sagen will also gelernt sein. In diesem Sinne: Bis... äh... bald.