Freitag, 1. Februar 2008

Betr.: PowerPoint

"Ich muss da so eine Präsentation machen und will PowerPoint benutzen. Wie mache ich das denn am besten?" - "Brauche ich überhaupt immer dieses PowerPoint, auch wenn ich nur 10 Minuten kurz ein paar Ergebnisse präsentieren soll?" - ... Fragen dieser Art werden mir immer und immer wieder gestellt, deshalb hier einige Gedanken zum Thema PowerPoint.



1. Vorab
1.1. Zwei Texte

Wenn Sie einen Vortrag mit PowerPoint vorbereiten, bereiten Sie theoretisch gesprochen zwei Texte vor:
  1. Zum einen den Text, den Sie mündlich vortragen werden,
  2. zum anderen den PowerPoint-Text (der nicht nur Wörter, sondern auch Grafiken, Tabellen, Bilder usw. enthalten kann - auch dies alles fällt hier unter die Bezeichnung "Text".)
Die beiden Texte können sich (bzw. sollten sich dringend!) im Vortrag aufeinander beziehen.

1.2. Verschiedene Hierarchisierungsmöglichkeiten

Außerdem können verschiedene Hierarchien zwischen beiden gelten:
  1. Der gesprochene Text kann den PowerPoint-Text klar dominieren, d.h. der PowerPoint-Text dient im weitesten Sinne der "Kommentierung" des mündlichen Texts;
  2. beide Texte können gleichwertig nebeneinander stehen;
  3. der PowerPoint-Text kann den mündlichen Text dominieren; wenn dies durchgehend gemacht wird, hat der Zuhörer oftmals den Eindruck, dass "Folien durchgeklickt" werden, ohne dass im gesprochenen Text substantielle Zusatzinformation zu den Folien gegeben würden. Ein solches "Folienklicken" wirkt auf die Zuhörer in der Regel negativ.
Während des Vortrags muss nicht strikt eine Hierarchisierung durchgehalten werden; es kann Passagen geben, in denen den mündliche Text den PowerPoint-Text klar dominiert (oder in denen es überhaupt keinen kommentierenden PowerPoint-Text gibt), sowie Phasen, in denen beide Texte mehr oder weniger "gleichberechtigt" nebeneinanderstehen usw.

1.3. Zwei Kanäle

Der PowerPoint-Text ist dabei ein Text, der über den visuellen Kanal übermittelt wird, während es sich bei dem gesprochenen Text natürlich um einen Text handelt, der über den auditiven übertragen wird. Wenn Sie beide Texte gleichzeitig benutzen, senden Sie damit gleichzeitig auf zwei Kanälen.

Es ist wichtig, dass Sie diese drei grundlegenden Punkte stets im Auge behalten.

2. Wozu dient PowerPoint?

PowerPoint ist also ein Instrument zur Visualisierung von Teilen Ihres Vortrags. Auf jeder Folie gibt es nur einen begrenzten Platz für Elemente (außer Sie machen die Elemente so klein, dass keiner sie mehr erkennen kann, was in der Tat häufig passiert).

PowerPoint ist also gut, um Zusammenhänge kurz und im Überblick graphisch darzustellen oder Sachverhalte zu visualisieren, die nicht oder nicht ohne erheblichen Aufwand mündlich vorgetragen werden können (Gliederungen, Bullet-Listen, Bilanzen, Schaltpläne, Mind Maps, ...).

PowerPoint ist in der Regel nicht geeignet dafür, komplexe Sachverhalte im Detail darzustellen.



3. Wie PowerPoint benutzen?
3.1. Lernen und PowerPoint


Unter den Menschen gibt es verschiedene "Lerntypen". Manche Menschen können sich Sachverhalte besser einprägen, wenn sie sie sehen (visueller Lerntyp), andere besser, wenn sie sie hören (auditiver Lerntyp), wieder andere, wenn sie sie selbst aufschreiben (motorischer Lerntyp) oder wenn sie sich darüber unterhalten (kommunikativer Lerntyp). Die meisten Menschen sind ein "Mischtyp"; dennoch haben sie einen oder mehrere Sinne, über den/die die aufgenommenen Informationen besonders leicht im Gedächtnis haften bleiben, während über andere Sinne nicht so leicht gelernt werden kann.

PowerPoint bietet nun (wie oben gesagt) die Möglichkeit, nicht nur über den auditiven sondern auch über den visuellen Kanal zu senden und damit verschiedene Lerntypen anzusprechen. D.h. Menschen in ihrer Zuhörerschaft, die schneller über das Hören lernen, prägen sich Ihren gesprochenen Text leicht ein, Menschen, die schneller über das Sehen lernen, prägen sich Ihren PowerPoint-Text leicht ein.

Nach dem Motto "viel hilft viel" versuchen deshalb Vortragede oft, voll auf allen Kanälen zu senden ("kumulative Methode"), um möglichst viel Gedächtniseffekt bei Publikum zu erreichen.

Doch hier ist Vorsicht geboten! Die mentalen Kapazitäten Ihrer Zuhörer sind nicht unbegrenzt. Manche Menschen sind in der Lage, eine Vielzahl an Sinnesreizen gleichzeitig zu verarbeiten und eine Vielzahl an Aufgaben gleichzeitig zu erledingen ("Multi-Tasking"). Andere dagegen können sich nur auf eine Sache zur gleichen Zeit konzentrieren. Ein Überangebot an Sinnesreizen ("Senden auf allen Kanälen") bewirkt dann oftmals, dass das Gehirn dieser Zuhörer nicht mehr weiß, auf welchen Reiz es sich konzentrieren soll. Es kommt zu einem "Hin-und-Her-Springen" der Aufmerksamkeitsfokussierung zwischen dem gesprochenen Text und dem PowerPoint-Text - und hinterher haben Sie Ihre Zuhörer zwar gründlich verwirrt, tatsächlich im Gehirn gespeichert wurden die von Ihnen vermittelten Inhalte jedoch nicht.


3.2. Aufmerksamkeitslenkung und PowerPoint

Das A und O bei der Vermittlung von Informationen ist neben einem strukturierten Vortrag vor allem eine erfolgreiche Lenkung der Aufmerksamkeit bei der Zuhörerschaft. Stellen Sie sicher, dass Ihre Zuhörer wissen, welcher Text in der Hierarchie gerade oben steht, welchem Kanal sie also gerade besonders viel Aufmerksamkeit widmen sollten. Verbalisieren Sie Hierarchieänderungen, wenn nötig.

Sagen Sie z.B.: "Ich zeige hier mal den Schaltplan und kommentiere gleich noch ein paar Sachen dazu." - In diesem Fall wissen Ihre Zuhörer, dass sie sich hauptsächlich auf den PowerPoint-Text konzentrieren können, während der gesprochene Text eher kommentierende Funktion hat.

Oder sagen Sie: "Ich zeige hier mal unsere letzte Bilanz, damit Sie einen Überblick bekommen, wichtig sind jedoch nur die drei rot markierten Zeilen, über die ich jetzt gleich ausführlich berichten werde." - Dann ist Ihren Zuhörern klar, dass sie sich nicht die Mühe machen müssen, die komplette Bilanz zu lesen, sondern dass der PowerPoint-Text nur einen visuellen Kommentar zu ihren gesprochenen Ausführungen darstellt.

Bedenken Sie auch, dass jeder neue Reiz zunächst die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich zieht. Wenn Sie also eine neue PowerPoint-Folie an die Wand werfen, wird eine große Zahl an Zuhörern die Aufmerksamkeit für Ihren gesprochenen Vortrag für kurze Zeit verringern und die Aufmeksamkeit für die neue Folie erhöhen. Schalten Sie also z.B. nicht mitten im Satz auf eine neue Folie um, wenn Sie sicherstellen wollen, dass Ihre Zuhörer das Ende des Satzes noch mitbekommen.



4. Wann PowerPoint benutzen?

Wann Sie PowerPoint überhaupt benutzen sollten, können Sie sich, unter Berücksichtigung der oben genannten Sachverhalte selbst überlegen, wenn Sie über folgende Punkte nachdenken:
  1. Was ist mein Thema? Gibt es da Elemente, die einer Visualisierung bedürfen?
  2. Welches sind die Vortragsmaßgaben? Habe ich z.B. nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung und sollte deshalb ein (schnell zu überblickendes) Schaubild an die Wand werfen, das sich die Zuhörer sich auf einen Blick einprägen können, weil für Details sowieso keine Zeit bleibt? Habe ich nur fünf Minuten und will aber eben kein Schaubild zeigen, um eine Übersimplifizierung der Sachverhalte zu vermeiden oder zu vermeiden, dass die Zuhörer meinem gesprochenen Text zu wenig Aufmerksamkeit widmen? ...
  3. Wie sind die Rahmenbedingungen? Gibt es beispielsweise einen Beamer in dem Konferenzraum, in dem Sie sprechen sollen, oder wäre es auch möglich, den visuellen Kanal dadurch zu bedienen, dass Sie etwas auf ein Flipchart zeichnen? ...
  4. Was sind die Gepflogenheiten? Wird beispielsweise von Ihnen erwartet, dass Sie PowerPoint benutzen, weil man Sie sonst für altmodisch, technisch nicht versiert usw. hält? Oder wird ein Einsatz von PowerPoint eher negativ bewertet, weil man Sie dann für einen Wichigtuer ansieht? Die Art des Mediums, die Sie benutzen, hat immer auch einen Effekt auf Ihr Image. Tatsächlich scheint PowerPoint ein besonders umstrittenes Präsentationsinstrument zu sein. In manchen Kreisen wirkt es sich ausgesprochen negativ auf das Image des Vortragenden aus, wenn dieser kein PowerPoint benutzt, während umgekehrt in anderen Kreisen die Devise gilt: Wer PowerPoint benutzt, produziert sicherlich nur heiße Luft und will sich wichtig machen.
5. Eine Bemerkung zum Schluss

Es scheint immer mehr in Mode zu kommen, die erstellten PowerPoint-Dateien nach dem Vortrag als "Gedächtnisstützen" an die Zuhörer zu verschicken oder im Netz online zu stellen. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Es scheint jedoch mittlerweile vielfach so zu sein, dass diese PowerPoint-Texte inhaltliche Vortragszusammenfassungen oder Sitzungsprotokolle ersetzen sollen.

So ist es mehrfach vorgekommen, dass ich einer Person geraten habe, ihre PowerPoint-Folien nicht mit Bullets zu überfüllen, sondern lieber nur wenige übrgeordnete Punkte aufzulisten und den Rest im gesprochenen Text vorzutragen, worauf die Antwort war: "Aber die Folien werden hinterher an alle Teilnehmer gemailt und wenn es dann nicht auf den Folien steht, kann es keiner mehr nachlesen. Dann sehen die Leute ja praktisch nur die Überschriften, aber nicht den Inhalt."

Dazu muss gesagt werden: PowerPoint-Texte, die für den Vortrag gemacht wurden, sind nicht dazu da, Protokolle oder Vortragszusammenfassungen zu ersetzen. Es ist in 99% der Fälle unmöglich, PowerPoint-Texte so zu konzipieren, dass sie neben einem gesprochenen Text in einem Vortrag sinnvoll eingesetzt werden sowie gleichzeitig als sinnvolle Vortragszusammenfassung dienen können.

Die Bedürfnisse, die von einem visuellen Text für einen Vortrag bedient werden müssen, und die Bedürfnisse, denen eine Vortragszusammenfassung gerecht werden soll, sind viel zu unterschiedlich, um von ein und demselben Text gestillt werden zu können.

Falls ihr PowerPoint-Text tatsächlich eine inhaltliche Vortragszusammenfassung ersetzen soll, machen Sie zwei Fassungen: Erstellen zuerst eine ausführliche Fassung, die dann als Vortragszusammenfassung herumgemailt wird, und streichen Sie aus dieser alle für die Vortragssituation überflüssigen und verwirrenden Elemente. Das macht nicht besonders viel mehr Arbeit, erzielt aber einen besonders viel besseren Effekt beim Vortrag.



Bildnachweise

Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von Pixelio.de oder von Wikimedia Commons. Z.T. wurden die Bilder abgeändert. Die Originale finden Sie hier:

Göttliche Suada

In der Antike hatte die Rhetorik tatsächlich ihre eigene Göttin. Bei den Griechen hieß sie Peitho, bei den Römern Suada oder manchmal auch Suadela.

Zuständig war Peitho für die sanfte Überredung. Ein pikantes Detail dabei ist, dass Peithos spezielle Fähigkeit darin lag, junge Mädchen dazu zu überreden, ihre erotische Zurückhaltung aufzugeben; wer als Mann die Göttin Peitho auf seiner Seite hatte, dem war daher Glück in der Liebe sicher. In der griechischen Mythologie taucht Peitho unter anderem im Gefolge der Liebesgöttin Aphrodite oder des Hermes auf.

Heute bezeichnet der Begriff "Suada" meist nur noch einen Redeschwall oder einen nicht mehr enden wollenden Redefluss, obwohl sich laut Duden daneben noch die Bedeutungen "Beredsamkeit", "Überredungskunst" erhalten konnten.

Dass Rhetorik und Erotik in der Gestalt der Peitho/Suada eine nicht zu trennende Verbindung eingehen, könnte Ausgangspunkt für eine Menge interessanter Überlegungen sein, deren Ausführung ich momentan aber auf einen späteren Zeitpunkt verschieben muss. Kommentare und Anregungen sind natürlich willkommen.