Dienstag, 27. Mai 2008

Blog-Tipp für Logo-Liebhaber

Freunde von Logo-Spielereien werden ihre helle Freude an Logólogos haben, einem Blog, der zwar in Argentinien entsteht, dank einer Vielzahl an Marken mit globaler Branding-Strategie jedoch in den meisten Industriestaaten problemlos zu "entziffern" sein düfte.

Die Bildsprache aus diesen global bekannten Logos ist möglicherweise eine der wenigen weltweit verständlichen "Sprachen", die sich eines abstrakten Bildzeichen-"Alphabets" zur Codierung ihrer Nachrichten bedient.

Do you speak

?

Donnerstag, 22. Mai 2008

Ratgeber über Ratgeber

Rhetorik-Ratgeber gibt es wie Sand am Meer, aber welche davon taugen etwas und welche eher nicht?

  • 'Spielend überzeugen in nur 10 Tagen!' - Seien Sie vorsichtig bei Rhetorik-Ratgebern, die zu viel versprechen. Rhetorik ist - als Theorie - ein hochkomplexes Fachgebiet und - als Praxis - eine komplizierte Kunst, die sehr viel Training, Übung und Erfahrung verlangt, bis man sie beherrscht. Sie würden ja auch keinem Buch trauen, das Ihnen 'Meisterhaft Geige spielen in nur 10 Tagen' oder 'Fließend Chinesisch sprechen in 2 Wochen' verspricht.
  • 'Die zehn Gebote gelungener Rhetorik' - Misstrauen Sie Rhetorik-Ratgebern, die mit Begriffen wie 'Regeln', 'Gesetze' oder 'Gebote' arbeiten, besonders wenn eine begrenzte Liste 'der' 10, 20 oder 100 Regeln versprochen wird, die es nur zu beachten gelte und schon stelle sich der Erfolg in 'der' Kommunikation wie von alleine ein. Solch eine begrenzte Anzahl universaler, leicht erlernbarer Regeln gibt es nicht; schon weil die Vielfalt der möglichen sozialen Situationen unter denen Kommunikation heute stattfinden kann, die Vielzahl der Charaktere der Kommunikationsteilnehmer, die unterschiedlichen Möglichkeiten der Medialisierung von Texten, die Anzahl der möglichen Textsorten etc. praktisch unüberschaubar ist. Dieselben Regeln gelten deshalb immer nur für winzige Ausschnitte des Kommunikationsuniversums, wenn überhaupt. Besser ist es daher, sich für den Anfang gewisse Methoden und Kompetenzen anzueignen, die je nach Situation modifizierbar sind - oder sich eben auf einen kleinen, für Sie relevanten Ausschnitt des Kommunikationsuniversums zu beschränken. Universale Regelrhetoriken folgen einem Konzept, das (tatsächlich!) dem Mittelalter entstammt. Fallen Sie nicht darauf herein.
  • 'Die Macht der Worte', 'gefährliche Rhetorik', 'verbotene Manipulationstechniken'... - In der Tat ist die Kunst des Überzeugens eine Fähigkeit, die seit Jahrtausenden mit Begriffen wie 'Macht' und 'Magie' in Verbindung gebracht wird. Klar, Bücher die Macht versprechen, verkaufen sich besser, als Bücher, die keine derartigen Versprechungen machen. Ein Rhetorik-Ratgeber allein wird aus Ihnen aber in keinem Fall einen übermächtigen Wortzauberer machen. Lassen Sie sich nicht von derartigen Rhetoriktricks(!) beeinflussen. Machen Sie Ihren Kauf nicht von der Größe des Versprechens auf den Buchdeckeln abhängig, sondern lieber von der Qualität des Inhalts zwischen diesen Buchdeckeln.
  • Wer schreibt da eigentlich und bei welchem Verlag? - Sehen Sie sich genau an, welche fachlichen Qualifikationen der Autor des Ratgebers hat. Viele Rhetorik-Ratgeber werden von Autoren verfasst, die nicht besonders viel theoretisch-fachliche Qualifikation mitbringen. Oftmals wollen sich diese Autoren mit ihrem Buch sozusagen selbst als Rhetorik-Trainer qualifizieren, um später mit ihrem Ratgeber für sich werben zu können: "Klar, der hat zwar Kunstgeschichte studiert, aber er hat schon mal ein Buch über Rhetorik geschrieben, da muss er ja wohl was von der Sache verstehen". - Ein klarer Fehlschluss. Schauen Sie sich außerdem an, auf welchem Gebiet der Autor tätig ist. Jemand, der z.B. Verkäufer trainiert, muss nicht unbedingt kompetent sein, wenn es um das Thema 'Festtagsrede' geht. Oftmals lässt auch der Name des Verlags, bei dem ein Ratgeber erscheint, bereits gewisse Schlüsse auf die Qualität des Ratgebers zu. Verlage, die dafür bekannt sind, qualitativ hochwertige Ratgeber zu verlegen, geben ihren guten Namen nur sehr selten für schlechte Werke her.

Durchsetzungsmodus: Autorität

"Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!"
(Goethe, Faust I)
Seit Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen und seiner Konzeption des Sprachspiels, spätestens aber seit J.L. Austins How to do things with words wissen wir, dass "Worte" nicht das Gegenteil von "Taten" sind, sondern dass Sprechen tatsächlich zugleich immer auch Handeln bedeutet. Durch solche Sprechhandlungen können Gesetze erlassen werden, Sitzungen eröffnet, Kriege erklärt, Fehler verziehen, Antworten erbeten und Befehle erteilt werden. Was mit J.L. Austin begann hat unter dem Namen Sprechakttheorie bis heute enormen Einfluss auf das Verständnis, das Sprachphilosophen und Linguisten vom Sprachgebrauch haben.

In der Nachfolge von John Searle geht Daniel Vanderveken in seinem in Meaning and Speech Acts entwickelten Modell der Illokutionslogik davon aus, dass sich eine Sprechhandlung genau durch sechs Komponenten definieren lässt, darunter der sog. Durchsetzungsmodus einer Sprechhandlung. Während die Sprechhandlung ANFRAGEN für den Adressaten die Möglichkeit offen lässt, dem Anfragenden einfach eine negative Antwort zu erteilen, bedienen sich andere Sprechhandlungen, wie z.B. BEFEHLEN, des Durchsetzungsmodus der Autorität. Weil der Befehlende seine Machtposition ausspielt, wird es dem Adressaten sehr viel schwerer fallen, sich einem Befehl zu widersetzen als eine Anfrage negativ zu beantworten.

Ein lustiges Beispiel hierfür habe ich gerade auf xkcd gefunden. Nachdem der Befehl "Make me a sandwich" den Durchsetzungsmodus der Autorität benutzt, allerdings mangels tatsächlich vorhandener Autorität fehlschlägt, verschafft sich der findige Geek die für den Befehl nötige Autorität durch ein vorangestelltes Sudo. Wenn Kommunikation nur immer so einfach wäre... :-)

Dienstag, 20. Mai 2008

Web Trend Map

Schon etwas veraltet, aber ich hatte mir doch vorgenommen, diese Information zu bloggen: Seit zwei Wochen gibt es die neue Web Trend Map. Die 300 wichtigsten Webseiten auf einem Plan, der dem der Londoner U-Bahn-Plan ähnelt. Ein großes Pdf sowie eine verlinkte Webseite laden zum stöbern ein. Tatsächlich sind eine Menge an Webseiten dabei, auf die ich selbst öfter zugreife, wobei ich mir an diesem Punkt nicht sicher bin, ob ich in Anbetracht dessen, dass mir mein eigenes Main-Stream-Surf-Verhalten so deutlich vor Augen geführt werden kann, eher erleichtert oder eher peinlich berührt sein sollte. Wahrscheinlich beides zugleich. Viel Spaß beim Ansehen jedenfalls!

Where have all the speakers gone...?

"Der Spiegel" hat also den Rückzug der Rhetoriker ausgerufen. Was "der Spiegel" allerdings dabei beobachtet, ist schlicht und einfach ein Stilwechsel.

Jedes Jahrzehnt hat seinen eigenen Stil, seine eigene "Grundtonart", was die politische Rede angeht. Manche Jahrzehnte geben sich kämpferisch, andere eher nüchtern-sachlich. Manche Stiltrends setzen sich durch oder verstärken sich teilweise geradezu selbst, andere dagegen führen quasi zu ihrer eigenen Abschaffung. Stile stabilisieren sich, wenn eine große Anzahl an Akteuren davon ausgeht, dass eine ganz bestimmte Stilausprägung "normal" ist und "erwartet" wird, und daher die Notwendigkeit sieht, die eigenen Reden an dieser Stilart auszurichten.

Eines der obersten Gebote der Rhetorik lautet, dass man sich immer die Frage nach der Angemessenheit seiner Rede bzw. seines Textes stellen sollte - auch und gerade in puncto Redestil. Wer beispielsweise gezielt provozieren oder ein bestimmtes "unangepasstes" Image pflegen möchte, kann über gezielt "unangemessenen" Stil nachdenken. Wer ein Retro-Image pflegen möchte, kann natürlich darüber nachdenken, seine Rede im Stil vergangener Jahrzehnte zu halten. Ein Politiker der heute noch eine Bundestagsrede im Stile Herbert Wehners hält, macht sich damit stilistisch zum Akteur von gestern oder vorgestern. Das kann er bewusst so tun, jedoch ist dies nicht in jedem Falle vorteilhaft.

Die Jugend mag nicht mehr so sein, wie sie früher einmal war, aber sie dennoch - und gerade deshalb - die Jugend. Dasselbe gilt für die Rhetorik. Das Ende der Rhetorik und der Tod der Redekultur, welche bei jedem bemerkbaren Stilwandel in der politischen Redepraxis mit schöner Vorhersagbarkeit ausgerufen werden, sind noch lange nicht gekommen. Die Rhetoriker suchen sich nur in jedem Jahrzehnt andere Werkzeuge um zu wirken und betreiben dennoch - und gerade deshalb - Rhetorik.

Was ist eigentlich mit dem "Spiegel"? "Der Spiegel" ist immer noch, was er früher einmal war. Der Spiegel ist eben der Spiegel ist der Spiegel ist der Spiegel... Vielleicht sieht die Zeitschrift gerade deshalb in jedem Schritt, den sich die politische Redepraxis weiter von Stil und Gestus von "Herbert Wehner - Rainer Barzel - Willy Brandt - Franz-Josef Strauß - Helmut Schmidt - Otto Graf Lambsdorff" entfernt eine Verfallserscheinung anstelle einer Stilentwicklung.

1001 Nacht

"Unserem großzügigen, hochgebildeten und vornehmen Publikum sei hiermit kundgetan, daß dieses köstliche und sehnlich erwartete Buch mit der Absicht geschrieben wurde, einem jeden nützlich zu sein, der darin liest. Hier finden sich höchst lehrreiche Lebensgeschichten, dazu wunderbare Gedanken für Menschen von hoher Bildung. Man kann die Kunst der Rede aus ihnen ebenso lernen wie eine lückenlose Geschichte der Könige seit dem Anbeginn der Zeiten. Ich habe es 'Das Buch von Tausendundeiner Nacht' genannt. Dieses Buch erzählt auch prachtvolle Lebensgeschichten, durch die jeder, der sie hört, Menschenkenntnis erwirbt, so daß ihn keine Hinterlist mehr treffen kann. Darüber hinaus wird dem Zuhörer Erholung und Freude zuteil in Zeiten des Kummers über die Zeitläufte, die zu bösen Taten verführen wollen, doch Gott, der Erhabene, leitet uns auf die rechte Bahn."
Gerade ist mir eine Version von "Tausendundeine Nacht" unter die Hände geraten. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi, in der wunderschönen Übersetzung von Claudia Ott mit einem Nachwort zu Überlieferung und Übersetzung. Diese Überlieferung ist ein Fragment, daher endet das Buch nach der 282. Nacht.

"Tausendundeine Nacht" ist eine Faszination für sich, wahrscheinlich eine der besten Geschichten- und Gedichtesammlungen, die die Welt zu bieten hat. Die ältesten der darin enthaltenen Geschichten haben ihre Ursprünge anscheinend vor über 2000 Jahren in Indien, sind beispielsweise in buddhistischen Schriften des 1. Jhdts. v. Chr. überliefert. Die Erzählungen fanden wohl über das Persische Eingang in die arabische Literatur und wurden dort zu Perlen der orientalischen Erzählkunst geschliffen; neue Geschichten kamen hinzu, z.T. magische Abenteuergeschichten aus dem Ägypten des 11. und 12. Jahrhunderts. Ein autorloses Buch, mit variierendem Geschichtenbestand, oft fragmentarisch. Ein Buch der Volksliteratur voller Abenteuer, Erotik, Magie, Phantastik und Symbolik; ein "verbotenes" Werk, bei vielen gebildeten arabischen Lesern im Verruf und dennoch - gerade deswegen! - gerne gelesen. 1704 schließlich veröffentlichte der Franzose Antoine Galland eine französische Fassung von "1001 Nacht" erstmals in Europa, allerdings hielt er sich nicht streng an den Inhalt seiner arabischen Vorlage. Die Erfolgsgeschichte der Erzählungen aus 1001 Nacht in Europa begann. (Siehe das Nachwort von Claudia Ott.)

Allerdings ist es mir bisher noch nie in den Sinn gekommen, das ganze als Rhetoriklehrbuch zu lesen, wie die Vorrede hier nahelegt. Als Lehrbuch über die Kunst des Redens und des Geschichtenerzählens - was im Arabischen damals offenbar noch sehr viel enger zusammenhängt als heute bei uns; eine Sache, über die nachzudenken sich lohnen würde. Ursprüngliche, abenteuerliche, erotische Geschichten. Unerhaltsame Geschichten. Spannende Geschichten. Geschichten zum genießen, inhaltlich und stilistisch. Geschichten, die man gerne immer wieder hören mag. Geschichten, wie man sie vielleicht von einem "alten arabischen Caféhauserzähler" erwartet. Oder von einem Lügner, aber Lügner sind immer die besten Geschichtenerzähler. Jedenfalls kann ich es kaum erwarten, das Buch von vorn bis hinten durchzulesen.



Literatur:
Tausendundeine Nacht. Aus dem Arabischen von Claudia Ott. dtv: München 2006.