Mittwoch, 2. Januar 2008

Guter Zauberer - Böser Zauberer


Rhetorik fasziniert. Immer wieder. Rhetorik ist die Kunst strategischer Kommunikation, die Kunst des Überzeugens. Als solche ist sie eine Macht, unbestreitbar.

Wer nicht nur "vor sich hin redet", sondern gelernt hat, Sprache gezielt so einzusetzen, dass ein Gesprächspartner nach den Gespräch möglichst die Überzeugungen des Sprechers teilt, hat ein mächtiges Instrument zur Verfügung, das ihr/ihm hilft, die eigenen Interessen im zweifelsfall besser durchzusetzen als andere.

Aus diesem Grund schwankt das Bild des Rhetorikers zwischen der Vorstellung vom "guten Zauberer", der durch seine Wortmagie der besseren Idee zum Durchbruch verhelfen kann, und der Vorstellung vom "bösen Zauberer", der ein gefährlicher Manipulator ist, den Leuten mit seinen Reden den Kopf vernebelt und ihnen seinen eigenen dunklen Willen aufzwingen kann.

Wie jedes Instrument, kann auch die Rhetorik sowohl zum Guten als auch zum Schlechten verwendet werden. Der geübte Rhetoriker hat allerdings den Vorteil, dass er Manipualtionsversuche leichter durchschaut als kommunikativ unbedarftere Zeitgenossen. Rhetorik hilft also nicht nur beim Reden, sondern auch beim Verstehen – beim Durchschauen der Strategien und (verborgenen) Absichten anderer.

Die Rhetorik ist übrigens ursprünglich ganz und gar kein Kind diktatorischer Herrrschaft, sondern umgekehrt ein Kind der Demokratie.

Die ersten Zeugnisse von Rhetorik als Disziplin in Europa stammen aus dem fünften Jahrhundert vor Christus und sind Folge der Demokratisierung in Sizilien und Athen. Die Herrschaft der Tyrannen war dort beendet worden; in der Folge kam es zu einem Aufbrechen von Interessensgegensätzen, was auch eine Flut von Gerichtsprozessen nach sich zog. Was man nun also brauchte, waren Leute, die einem helfen konnten, die eigenen Interessen durchzusetzen – und zwar mit Worten.

In der antiken Römischen Republik galt die Rhetorik als unverzichtbarer Bestandteil für die Ausbildung angehender Staatsmänner. Cicero ordnete ihr in dieser Hinsicht alle anderen Künste und Wissenschaften nach – sogar die Philosophie. In Senatsreden, in Reden vor dem Volk und vor Gericht fand die Rhetorik rege praktische Anwendung. Aus der politischen Öffentlichkeit verschwand die Rhetorik damals zusammen mit der Demokratie: als in Rom Kaiser herrschten und öffentliche Kritik unerwünscht wurde.

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Bild: Edward Kelly: A Magician. 1806.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo, ich habe gerade einen sehr interessanten Artikel in einem anderen Blog gelesen, der mich sofort an diesen Eintrag erinnert hat. Ich schreibe hier mal die URL hin: Media-Tetrads-Blog. Bis dann.

Anonym hat gesagt…

P.S. Was ist eigentlich eine Medien-Tetrade?

Anonym hat gesagt…

Heute bin ich etwas hartnäckig... Ok. Ich habe jetzt rausgefunden, was eine Medien-Tetrade ist. Das ist diese McLuhan-Geschichte. Peinlich eigentlich, dass ich das nicht wusste. Was hältst *du* denn von McLuhan?

Rhetoriker hat gesagt…

Hallo Julia,

es ist ziemlich unmöglich, eine differenzierte Meinung über ein Phänomen wie McLuhan in einem Blog-Kommentar unterzubringen. Ich versuche mein bestes...

Vorab: Ich habe so ziemlich alles von Marshall McLuhan gelesen. Vor allem wenn man sich mit Medienrhetorik beschäftigt, ist McLuhan gewissermaßen ein Muss.

McLuhans Bücher sind in ihrer bewussten Unkonventionalität und ihrem ständigen Durchbrechen der "gewohnten" Perspektive ein Faszinosum. Vor allem die "späteren Bücher" tendieren aber auch gerne mal in Richtung Verschrobenheit.

McLuhan hat unbestreitbar ein Auge für komplexe, übergreifende Zusammenhänge, die andere vor ihm nicht einmal erahnen konnten. Es ist sein großes Verdienst, auf die weitreichenden Auswirkungen des Mediums an sich bzw. des Leitmediums einer Kultur und Epoche auf das Denken der einzelnen Konsummenten hingewiesen zu haben - Auswirkungen, die unabhängig vom transportierten Inhalt der übermittelten Nachricht sind. Dadurch (Stichwort Mikro-Makro-Modell) verändern Medien auch gesamtgesellschaftliche Strukturen; vor McLuhan hatte dies noch niemand in ähnlicher Deutlichkeit und Prägnanz formuliert.

McLuhans zusätzliches Gespür für Begriffsprägungen hat seinen Schriften zu einer sagenhaften Beliebtheit in den Feuilletons verholfen. "The medium is the message" - "The Gutenberg Galaxy" - "Global Village"... Mittlerweile kennt diese Begriffe praktisch jeder.

Zumindest unter Medienfachleuten (besonders im Bereich Internet) und Journalisten hat McLuhan noch immer eine große Fangemeinde. Das Internet wird als neues kulturelles Leitmedium interpretiert, das die Wahrnehmungs- und Denkgewohnheiten der Menschen verändert. Statt Gutenberg-Galaxie also Turing-Galaxie und das Global Village gibt's jetzt vermutlich auch schon als Global Village 2.0. Eine neue Medienrevolution. Und McLuhan liegt voll im Trend.

Allerdings sind McLuhans Ansätze aus wissenschaftlicher Sicht nicht als "Theorie" im strengen Sinn zu verstehen, da die von ihm verwendeten Begriffe oft mehr als unscharf bleiben. (Es beginnt leider schon mit dem zentralen Begriff des Mediums...) Zudem werden innerhalb derselben Kategorien oftmals Dinge abgehandelt, die nicht auf derselben logischen Ebene liegen.

Man darf McLuhan in diesem Zusammenhang allerdings nicht Unrecht tun: Er wollte tatsächlich niemals eine Theorie im strengen Sinne entwickeln, sondern war im Gegenteil immer ein Verfechter der kreativen, assoziativ-verknüpfenden Herangehensweise an die Wirklichkeit. Eine Denkweise, die übrigens dem "elektronischen Zeitalter" voll und ganz entspricht, zumindest laut Marshall McLuhan himself.

Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Medien (Wissenschaftler leben ja noch immer zu einem großen Teil in der logisch-linear denkenden Gutenberg-Galaxie) sind McLuhans Thesen wichtige Ausgangspunkte. Als theoretische Modelle z.B. zur rhetorischen Medienanalyse sind McLuhans "Modelle" jedoch ungeeignet. - Es sei denn, jemand erfände die Medienanalyse 2.0. :-)

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Buchtipp: Joachim Knape (Hrsg.): Medienrhetorik. Tübingen 2005. Darin: Joachim Knape: The Medium is the Massage? Medientheoretische Anfragen und Antworten an die Rhetorik. (Seiten 17-39.)

Anonym hat gesagt…

Anzumerken wäre noch dass McLuhan sich selbst auch in der rhetorischen Tradition sah. Seine Doktorarbeit beispielsweise behandelt das Trivium (Rhetorik, Logik und Grammatik) von der Antike bis zur Renaissance. Einer seiner wichtigsten Einflüsse war Giambattista Vico, der der Rhetorik auch sehr nahe stand. Ausserdem war er stark durch den New Criticism beeinflusst, den man als eine poetologische Version der Rhetorik sehen kann. Seine Vorhaben könnte man deshalb durchaus als "Rhetorik der Medien" bezeichnen. Cavell hat das in seinem ausgezeichnetn Buch "McLuhan in Space" auch als "Rhetorics of Space" bezeichnet. Kein Wunder also dass er von der Mehrzahl empirisch-analytischer Medienwissenschaftler abgelehnt wird. Die Rhetorik beruht eben eher auf einer ganzheitlichen, interdisziplinären also genuin humanistischen Herangehenswise.

Rhetoriker hat gesagt…

Danke für die wertvollen Ergänzungen. McLuhan ist doch immer wieder ein spannendes und ebenso endloses Thema!