"Theoretisches Wissen und praktisches Wissen, schön und gut", lautet die Antwort dann meistens, "aber jetzt bin ich nun mal weder Verkaufsprofi noch Politiker, also muss ich eben doch Rhetoriktheorie pauken, um meinem Chef ein paar Euro Gehalt mehr zu entlocken."
Ok, vielleicht müssen Sie tatsächlich ein bisschen...
Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass viele Leute über mehr praktische rhetorische Kompetenz verfügen, als sie selbst glauben; man muss ihr nur ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn Sie sich die richtigen Fragen stellen, werden deshalb viele Antworten "wie von selbst" kommen...
Vielen Leuten, die tatsächlich nicht vorhaben, Kommunikationsprofis zu werden, sondern eben nur "den Chef mal um eine Gehaltserhöhung bitten" wollen, hilft deshalb oftmals bereits ein einigermaßen "untheoretischer" Fragenkatalog in Verbindung mit wenigen praktischen Tipps, um ihre verborgenen Kompetenzen zu Tage zu fördern.
Als hilfreich erwiesen sich vor allem folgende sieben Punkte:
- Überlegen Sie sich im Voraus genau, was sie sagen wollen.
Kommunikation ist das Werkzeug, das sie dazu einsetzen, Ihr Ziel zu erreichen. Wählen Sie Ihre Werkzeuge deshalb sorgfältig im Voraus aus. Falls Sie nicht ausgesprochen geübt sind, begeben Sie sich nicht unvorbereitet in ein wichtiges Gespräch, um "mal zu sehen, was sich so ergibt"! - Verschaffen Sie sich Klarheit über die eigenen Zielvorstellungen und Präferenzen. Verschaffen Sie sich ebenfalls Klarheit darüber, was auf keinen Fall passieren soll.
Je genauer Sie darüber Bescheid wissen, was Sie erreichen und vermeiden wollen, desto geeigneteres Werkzeug können Sie für diese Zwecke aussuchen. Wer nicht sicher weiß, ob er einen Nagel in die Wand schlagen oder ein Loch für einen Dübel bohren will, ist nicht in der Lage, geeignete Werkzeuge zu wählen! - Ausschlaggebend für die Wahl ihrer "kommunikativen Werkzeuge" ist immer Ihr Gesprächspartner!
Verschaffen Sie sich daher Klarheit darüber, mit wem Sie sprechen und welche Rolle Ihr Gesprächspartner während des Gesprächs einnimmt. Wenn Sie mit Herrn Müller als Ihrem Chef sprechen, wird er sich anders verhalten, als wenn Sie mit Herrn Müller als Ihrem Nachbar sprechen oder mit Herrn Müller als Familienvater usw. Beachten Sie besonders bestehende Machtverhältnisse, die möglicherweise zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner relevant werden könnten. Eine Bitte an den Chef muss in jedem Fall in einem anderen "Ton" formuliert werden als ein Vorschlag an einen Mitarbeiter. Wozu man Person A "dringend auffordern" kann, das kann man unter Umständen von Person B nur "höflich erbitten" etc.
Wichtig: Bedenken Sie unbedingt, dass die besten Argumente nicht die sind, die Sie selbst für die überzeugendsten halten, sondern die, die Ihr Gesprächspartner für am überzeugendsten halten wird. Schließlich wollen Sie nicht den Preis für besonders formvollendetes Argumentieren gewinnen, sondern möglichst sicher Ihr Ziel erreichen! - Bedenken Sie im Voraus, welche Reaktionsmöglichkeiten Ihr Gesprächspartner auf Ihre Gesprächsbeiträge hat bzw. welche Reaktionen Ihres Gesprächspartners wahrscheinlich sind.
Machen Sie sich bereits bevor Sie ins Gespräch gehen klar, welche möglichen Einwände Ihr Gesprächspartner erheben könnte und wie Sie diese (vielleicht sogar schon bevor sie erhoben werden) entkräften könnten. - Denken Sie darüber nach, in welcher Situation Sie sprechen.
Wo sprechen Sie? Wann sprechen Sie? Wer ist noch anwesend? Zu welchem Anlass sprechen Sie? Und so weiter. Bedenken Sie auch, dass Sie Ihr Anliegen möglicherweise in bestimmten Situationen leichter verwirklichen können als in anderen. (Ist Ihr Chef z.B. zugänglicher, wenn Sie in der Mittagspause ein informelles Gespräch unter vier Augen bei einer Tassee Kaffee beginnen, oder schätzt er es eher, wenn man rechtzeitig vorher einen offiziellen Termin mit seiner Sekretärin vereinbart?) Beachten Sie, dass ein informelles Gespräch in der Mittagspause in einem anderen Ton geführt werden kann und muss als ein offizielles Gespräch im Büro Ihres Chefs, besonders wenn noch andere Personen anwesend sind etc. - Denken Sie über die Angemessenheit Ihrer Aussagen nach.
Ist das, was Sie sagen und wie Sie es sagen, in der Situation, in der Sie es sagen, angemessen? Ist das, was Sie sagen, angemessen im Bezug auf Ihr Ziel? Ist es angemessen im Bezug auf Ihren Gesprächspartner und angemessen im Bezug auf Ihre eigene Person? Ist es möglicherweise unter bestimmten Umständen nützlich, sich unangemessen zu verhalten? (Unterschätzen Sie aber nicht das Risiko solcher "unangemessenen Kommenare".) - Denken Sie schließlich nicht nur an Ihre kurzfristigen, sondern auch an Ihre langfristigen Ziele!
Durch provokatives Verhalten oder "Ramboverhalten" können Sie möglicherweise in einer bestimmter Situation Ihr Ziel sehr gut erreichen - langfristig kostet es Sie allerdings Sympathien. Umgekehrt kann allzu "nettes" und "kooperatives" Verhalten kurzfristig Streitigkeiten verhindern - langfristig stehen Sie damit möglicherweise als der "gutmütige Trottel, mit dem man alles machen kann" da. Beachten Sie deshalb in jedem Gespräch auch immer die langfristigen Folgen, die dieses für Sie haben kann.
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