Sonntag, 6. Januar 2008

"Muss ich denn erst Argumentationstheorie und Logik pauken, um meinen Chef zu einer Gehaltserhöhung überreden zu können?" (Teil 1)

Immer wieder werde ich danach gefragt, wieviel theoretisches Wissen über Rhetorik notwendig ist, um überzeugend kommunizieren zu können. "Muss ich denn erst Argumentationstheorie und Logik pauken, um meinen Chef zu einer Gehaltserhöhung überreden zu können?" ist so eine typische Frage.

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht ganz einfach. Zunächst ist nicht alles "Wissen", das eine Person besitzt, theoretisches Wissen. Besonders wenn es um Sprechen und Sprache geht, spielt das "praktische Wissen", die "Handlungskompetenz" einer Person eine wichtige Rolle. Es geht um ein Wissen, das die Menschen dazu befähigt, bestimmte Dinge quasi "intuitiv" erfolgreich zu tun, ohne dass sie die theoretischen Hintergründe dafür benennen könnten.

Personen deren Muttersprache Deutsch ist, wissen sehr genau, dass die Sätze "Martin ist groß" und "Martin ist ein großer Mann" korrekt sind, die Sätze "Martin ist großer" und "Martin ist ein groß Mann" dagegen nicht. Dafür brauchen sie kein theoretisches Wissen über die Grammatik des Deutschen zu haben. Sie müssen nicht wissen warum das so ist, es reicht ihnen zu wissen, dass es sich so verhält. Ihr praktisches Wissen, das sie durch jahrelanges Sprechen erworben haben, reicht aus. - Das bedeutet allerdings nicht, dass ein theoretisches Wissen über die deutsche Grammatik nicht (besonders in kniffligen Fällen) sehr hilfeich und vorteilhaft für den einzelnen sein kann, besonders, wenn Deutsch z.B. eben nicht seine Muttersprache ist.

Ähnlich wie mit der "grammatischen Kompetenz" ist es auch mit der "kommunikativen" oder "rhetorischen" Kompetenz. So entwickeln beispielsweise professionelle Verkäufer oder Politiker mit der Zeit ein unglaubliches "intuitives Gespür" , ein "praktisches Wissen" dafür, welches Argument in einer bestimmten Situation "zieht", welche Formulierungen bei einer bestimmten Person besonders gut "ankommen" und welche eben nicht. Das muss ein Verkäufer nicht theoretisch begründen und erklären können; es ist für ihn einfach "Intuition" und "es funktioniert". - Das bedeutet allerdings nicht, dass ein theoretisches Wissen über Rhetorik nicht hilfreich und vorteilhaft für Sie sein kann; besonders wenn Sie eben nicht Verkaufsprofi oder Politiker mit jahrzehntelanger Berufserfahrung sind.

Keine Kommentare: