Freitag, 4. Januar 2008

Ich sag dir was, was du schon weißt...

Pünktlich zu den ersten Vorwahlen in den USA erschien auf den Internetseiten des "TIME magazine" ein interessanter Artikel von Kenneth Baer und Jeff Nussbaum (beide Kommunikationsprofis, beide ehemalige Redenschreiber von Al Gore) über die Rhetorik der Gewinner und Verlierer einer Vorwahl.

Da es sich keiner leisten könne, bereits nach der ersten Vorwahl wie ein Verlierer zu klingen, gebe es für die Redenschreiber der "Verlierer" im Prinzip drei Möglichkeiten:

  1. Aus irgendeinem Grund den (moralischen, relativen usw.) Sieg erklären, selbst wenn man nicht gewonnen hat.
  2. Die Ausbaufähigkeit der eigenen Position betonen, indem man z.B. eine "kreative Interpreatation" der Ergebnisse vornimmt und verspricht, dass es ab jetzt so richtig los geht.
  3. Erklären, dass die Ergebnisse nichts aussagen (z.B. wegen der speziellen Umstände usw.) und dass man gar nicht damit gerechnet hatte, zu gewinnen, ja, dass man eigentlich auch gar nicht ernsthaft versucht hatte, hier und heute den Sieg zu erringen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich solche Artikel lese, habe ich automatisch eine Menge Politikersätze wie diese im Ohr:
  1. Sieben Prozent sind ein großartiges Ergebnis für eine kleine Partei wie die unsere.
  2. Ja sicherlich ist das eine Enttäuschung, wir werden uns jedoch mit allen Kräften weiterhin für eine bessere Politik in Deutschland einsetzen und die Wähler bei den nächsten Wahlen dann hoffentlich wieder für uns gewinnen.
  3. Das Landtagswahlergebnis war selbstverständlich auch ein Spiegel der negativen Stimmung im Volk, die im Moment gegen die Bundespartei herrscht, insofern haben wir da noch vergleichsweise gut abgeschnitten...
Von den Pressesprechern großer Unternehmen kennt man dieselben Argumentationsmuster natürlich auch:
  1. Wir sind sehr zufrieden, dass wir unsere Position am Markt halten konnten. Das allein ist schon ein großer Sieg für unser Unternehmen.
  2. Was wir hier erleben, sind Startschwierigkeiten bei der Einführung eines neuen Produkts, die aber sicher bald überwunden sein dürften.
  3. Die Erwartungen, die von außen an uns herangetragen wurden, waren bei Weitem zu hoch und völlig unrealistisch. Wir haben niemals versucht, solchen überzogenen Erwartungen allen Ernstes gerecht zu werden.
Klingt alles irgendwie so, als hätte man es bereits vorher schon tausendmal gehört und vorher schon gewusst.

Und tatsächlich liegt die Überzeugungskraft solcher Aussagen genau darin begründet, dass Sie es wirklich irgendwie bereits vorher gewusst haben.

Aussagen wie die oben genannten basieren auf sog. "Topoi" oder "Gemeinplätzen", auf allgemeinen Denk- und Ausdrucksmustern, die bei den meisten Leuten anerkannt und aus dem Alltag völlig vertraut sind. ("Alte Menschen neigen dazu, starrköpfig zu sein." "Ein guter Verlierer steht auf und macht weiter." ...) Ein und derselbe Topos kann dabei auf alle möglichen unterschiedlichen Situationen angewandt werden: Politik, Wirtschaft...

Und genau deshalb, weil Sie diese allgemeinen Denkmuster bereits kennen und anerkennen, finden Sie dann auch die spezielle, darauf aufgebaute Aussage "irgendwie einleuchtend".

Der Großteil der Argumentationsmuster, die Sie im Alltag anwenden, dürfte wohl topischer Art sein, ohne dass Ihnen das jemals aufgefallen ist. Der Rückgriff auf topische Muster ist sozusagen die "natürliche" Art zu argumentieren, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es im Alltag unglaublich schwierig bis unmöglich ist, zwingende logische Beweise für irgendetwas anzuführen.

Nur... Wenn die Gemeinplätze und Argumentationsmuster, auf die man zurückgreift zu platt sind, wenn sie zu offensichtlich und zu häufig angewandt werden, klingt eine Rede einfach nur abgedroschen, vorhersagbar und hohl.

Tatsächlich wäre ich heute nicht besonders gerne Klient der Herren Baer und Nussbaum, wenn sich herausstellt, dass meine Kommunikationsexperten für eine Nach-Wahl-Rede nur genau drei Argumentationsmuster kennen - die allesamt auf sehr "abgenutzten" Gemeinplätzen aufbauen...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Gestern gab es in der Süddeutschen noch einen interessanten Artikel über die Rhetorik Vorwahlkampf der Demokraten in den USA:

http://www.sueddeutsche.de/ausland/special/821/138537/index.html/kultur/artikel/84/153689/article.html